Kaum zu glauben – aber „Ultraviolet Battle Hymns And True Confessions“ ist bereits das vierte Dream Syndicate Studio-Album nach der Reunion der Band. Mehr hatten Steve Wynn & Co. in der ersten Phase der Band zwischen 1982 und 1988 auch nicht geschafft. Nicht schlecht – wenn man bedenkt, dass Steve das Projekt eigentlich für beendet erklärt hatte und zwischen 1990 und 2010 als Solo-Künstler sowie mit Bands wie The Miracle 3 oder dem Baseball-Project doch eigentlich ganz gut beschäftigt gewesen war. Als man dann allerdings 2012 – zunächst für ein paar Konzerte - wieder zusammen kam, stand schnell fest, dass der alte Funke wieder zündete. Schnell wurde dann aber auch klar, dass The Dream Syndicate keineswegs als ihre eigene Cover-Band versauern wollten. Neues Material musste also her – und die Krönung dieser Entwicklung ist dann die, dass „Battle Hymns“ nun sogar das songorientierteste Dream Syndicate Album der Neuzeit geworden ist.
Obwohl es sich bei dem neuen Werk nicht um ein Konzeptalbum handelt, ist der Tenor der Stücke doch ein ziemlich düsterer.„Nun, das Album ist ja auch unsere Antwort auf die Zeiten – und es waren düstere Zeiten“, erklärt Steve Wynn, „kleines Detail am Rande – alles Dream-Syndicate-Alben wurden entweder in der Reagan-Amtzsteit gemacht oder unter Trump. Bis auf dieses. Ich denke, dass die bisherigen Dream-Syndicate Alben auf das Chaos und die Wirren dieser Zeiten reagiert haben während dieses neue eine Reflexion auf die Pandemie-Phase ist – eine Momentaufnahme."
Das ist ein recht ungewöhnliches Statement für einen Songwriter, der nicht viel davon hält, in seinen Songs direkte politische oder soziale Kommentare einzubinden.
„Nun - nicht alle Scheiben funktionieren so“, führt Steve aus, „aber 'Static Transmission' war zum Beispiel meine direkte Antwort auf 9-11. Es gibt halt Momente im Leben, die man einfach nicht ignorieren kann. Ich höre so etwas in vielen Alben, die zur Zeit erscheinen. Mir kommt das so vor, dass sich die Alben die jetzt rauskommen anhören, als käme man aus einer Höhle und man reibt sich die Augen, weil das Licht so blendet."
Nun ja: Momentan prasselt ja auch alles in ständig größerer Geschwindigkeit auf uns ein. „Ja, nicht wahr“, pflichtet Steve bei, „das ist wie ein Sperrfeuer auf die Sinne. Musik und Kunst sind aber ja eigentlich am Besten, wenn man Zeit hat, die Eindrücke auch aufzunehmen. Musik und Kunst sollten Dich idealerweise ja auch aus der Zeit herausnehmen und dich irgendwohin entführen. Unglücklicherweise ist das aber nicht die Art, auf die wir momentan Sachen aufnehmen und konsumieren – mit dem ganzen Streaming und so. Die Menschen hören Musik als Hintergrund und schauen Filme mit Snack-Pausen."
Und was ist die Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung?
„Nun ich glaube, wir warten alle sehnsüchtig auf etwas, was uns Halt und Richtung geben könnte. Die letzten Zwei Jahre haben wir auf ein Zeichen für so etwas gewartet."
Nun: Eine Band für solche Erleuchtungen waren The Dream Syndicate ja sowieso noch nie.
„Nein“, bestätigt Steve, „wir sind eine Psychedelik-Band mit Prog-Ambitionen, die Krautrock mag. Unsere Alben sollte man mit Kopfhörern anhören – mit einer Lava-Lampe im Hintergrund. In den 80ern waren wir eine Band, die irgendwann mal losgefahren ist – und dann 7 Jahre damit verbracht hat, alte Reifen zu flicken – eine Band, die versucht hat, eine neue Chemie zu finden, um die alte zu ersetzen. Dieses Mal sind wir zwar dieselben Leute – aber wir sind jetzt eine Band – und nicht Steve Wynn und seine Jungs. Ich höre alle fünf Musiker spielen und höre deren Eigenarten. Das ist es, was uns als Band heute ausmacht und was ich an der neuen Dream Syndicate mag."
Okay: Was ist denn Steve's aktuelles Dream Syndicate Resümee?
„Ach wir hatten einfach die Möglichkeit, die Geschichte von The Dream Syndicate zu ändern“, erklärt er, „wir konnten die Geschichte der Band in dem Sinne vervollständigen, die wir uns immer gewünscht hatten. Wir haben uns 1988 getrennt – und das hat sich zwar unfertig angefühlt – aber auch es war auch an der Zeit, aufzuhören. Es war also schön, das Ende jetzt umschreiben zu können."
Moment mal: Sucht Steve denn überhaupt nach einem neuen Ende für The Dream Syndicate? „Nein – eigentlich nicht“, schmunzelt er, „let it roll ..."
Aktuelles Album: Ultraviolet Battle Hymns And True Confessions (Fire Records / Cargo) VÖ: 10.06.
Foto: Chris Sikich