In den ersten Tagen des pandemiebedingten Lockdowns im März und April 2020 gab es kaum einen schöneren Begleiter als Dana Gavanskis hinreißenden Erstling ´Yesterday Is Gone´, für dessen Samtpfoten-Vintage-Produktion selbst Joni Mitchell als Vergleich nicht zu hoch gegriffen schien. Mit dem just erschienenen Nachfolger ´When It Comes´ verlässt die serbisch-kanadische Singer/Songwriterin nun den Pfad des poetischen Akustik-Folk und richtet sich mit Songs, die komplex, abstrakt und spannend zugleich sind, künstlerisch neu aus.
„Was nicht kaputt ist, das kann man nicht reparieren“, so heißt es. Für Dana Gavanski war der Drang, sich musikalisch neue Ziele zu setzen, trotzdem stärker als das bedingungslose Festhalten an alten Tugenden. Zwei Jahre nach ihrem famosen Debütalbum zeigt sich die inzwischen in London heimische Künstlerin deshalb auf ´When It Comes´ von einer (ganz) anderen Seite und zelebriert ihre Folk-Songs nun inspiriert vom Eigensinn einer Aldous Harding und von der kosmischen Psychedelik Stereolabs auf einer deutlich breitwandigeren Leinwand. Während der erzwungenen Pandemie-Auszeit ist sie aber nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich gewachsen.„Ich denke, die wichtigste Lektion, die ich gelernt habe, ist, ein bisschen geduldiger zu sein“, sagt sie im Westzeit-Interview. „Es ist zwar nicht so, als wäre ich plötzlich geduldig geworden und vollkommen von der Ungeduld geheilt, aber ich weiß inzwischen, dass man nur bis zu einem bestimmten Punkt gegen etwas ankämpfen kann, was außerhalb des eigenen Einflusses liegt, ganz egal, ob es die Pandemie oder kleine Dinge um dich herum sind. Ich habe gelernt, etwas entspannter zu sein und den Dingen mehr ihren Lauf zu lassen."
Dies zu tun, war für Gavanski praktisch unumgänglich, denn zu allem Überfluss verlor sie während der Arbeit an ´When It Comes´ auch noch ihre Stimme. Das zu akzeptieren und sich dem nötigen Heilungsprozess geduldig hinzugeben, war Teil des gerade beschriebenen Prozesses, auch wenn es der Musikerin nicht immer leichtgefallen ist.
„Wann immer sich meine Stimme gut anfühlte, habe ich sie nicht nur genutzt, sondern auch ein bisschen missbraucht“, gesteht sie. „Ich war einfach so aufgeregt, sie zurückzuhaben! Mit den Grenzen deiner Stimme konfrontiert zu werden, ist eine ziemliche Herausforderung, besonders wenn dein wichtigstes Instrument deine Stimme ist. Das stets vor Augen zu haben, gleichzeitig auch völlig auszublenden, dass das ein Problem darstellt, ist ein Zwiespalt, der sich stark im Album widerspiegelt."
Andere neue Herausforderungen suchte sich Gavanski dagegen bewusst. Inspiriert von PJ Harvey, die sich einst auf dem Album ´White Chalk´ dem Klavier zuwandte, um aus der Routine auszubrechen und sich selbst zu überraschen, legte auch Gavanski ihre Gitarre beiseite und wandte sich zunächst ihrem Casio-Spielzeug-Keyboard und später auch anderen Tasteninstrumenten zu, um einen neuen Zugang zu ihrem Songwriting zu bekommen.
„Mein Gitarrenspiel ist so rudimentär, dass mich meine Herangehensweise bisweilen ein wenig langweilt“, verrät sie. „Wenn man sich dagegen zum ersten Mal einem Instrument nähert und nicht viel darüber weiß, dann kann es einen auf angenehme Weise überraschen. Als ich ´Indigo Highway´ auf dem Moog Grandmother schrieb, half mir der Klang des Instruments dabei, einen Song zu schreiben, den ich vielleicht schon immer schreiben wollte, aber niemals auf der Gitarre hätte schreiben können."
Das Resultat sind nicht nur ungewöhnliche Songs, sondern auch unerwartete Arrangements, die – gerade im Vergleich mit dem oft nur wie hingetupft wirkenden Erstling – nun spürbar mehr ausufern und so Gavanskis Sinnsuche auch klanglich akzentuieren, wenn sie mit den neuen Liedern Schlaglichter auf ihre Kindheit und Jugend wirft.
„Ich denke, wir suchen alle immer heimlich nach Antworten, ohne dass das deshalb für mich ein konkretes Ziel ist“, sagt Gavanski über die Herangehensweise an ihre Texte. „Ich versuche lediglich, meine Gedanken klarzukriegen, ich versuche, Erfahrungen und Gefühle auszudrücken. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Es geht wirklich weniger um die Antworten, es ist eher ein ´Ah!´, ein Verstehen.“ Fast entschuldigend fügt sie hinzu: „Mein Songwriting-Prozess ist nicht sehr klar, ich versuche nur, dem zu folgen, was sich intuitiv gut anfühlt."
Tatsächlich wagt Gavanski mit ´When It Comes´ auch noch in anderer Hinsicht den berühmten Blick zurück nach vorn. Denn auch wenn sie klanglich hier einen großen Satz nach vorn macht, symbolisiert das Album doch auch ihre Suche nach den Ursprüngen ihrer Leidenschaft für die Musik. Doch zu welchem Ergebnis ist sie dabei gekommen?
„Das ist schwer zu beschreiben, weil ich selbst nicht immer verstehe, warum ich mich zu etwas hingezogen fühle oder warum ich eine bestimmte Art von Musik mag“, erklärt sie. „Ich glaube, ich habe versucht, zu dem zurückzukehren, was mich ursprünglich am Schreiben begeistert hat, und ich denke, es hat viel damit zu tun, präsent zu sein, nicht zu hart mit sich selbst ins Gericht zu gehen und einfach Spaß daran zu haben, Sounds zu kreieren, ohne das Gefühl zu haben, etwas schreiben zu müssen, was später anderen gefallen soll. Ich habe nur versucht, ich selbst zu sein."
Aktuelles Album: When It Comes (Full Time Hobby / Rough Trade)
Weitere Infos: www.danagavanski.co.uk Foto: Clementine Schneidermann