Als Lesley Kernochan mit ihrer letzten Scheibe, ´A Calm Sun´ in unseren Breiten auf Tour unterwegs war, überraschte sie interessierte Besucher damit, dass sie auf der Bühne etwas vollkommen anderes präsentierte, als die klassischen Country-Sounds auf der LP hätten vermuten lassen. Man hätte vorgewarnt sein können, denn schon zuvor hatte Lesley sich als wandlungsfähiges musikalisches Chamäleon präsentiert.
Das ist auf dem neuen Werk ´The Hummingbird Revolution´ nun nicht anders. Es gibt ein munteres stilistisches und stimmungsmäßiges Potpourri mit allerlei Zutaten zwischen Folk, Soul, Pop, Blues und Country – die sogar auch Lesleys Vergangenheit als jazzige Orchester-Saxophonistin mit einschließen.Auf jeden Fall klingt die neue Scheibe, als haben Lesley und ihre Musiker im Studio eine gute Zeit gehabt und Party gemacht.
„Ja, das ist auch so“, erklärt Lesley, „die letzte Scheibe war für mich eher eine seltene Ausnahme, weil ich nur in einem Genre gearbeitet habe – als interessantes Experiment. Dieses Mal wollte ich – zusammen mit denselben Musikern – einen anderen Ansatz verfolgen und das volle Spektrum meiner Musik ausloten. So haben wir zum Beispiel die Songs – so weit das ging – im Studio live zusammen eingespielt und keinen Click-Track verwendet.“
Ja gut – aber dadurch ergibt sich ja noch kein kunterbunter Stilmix.
„Nun, die Musen von denen ich betroffen bin, interessieren sich nun mal für alle Genres“, meint Lesley, „und dann ist das ja so, das heutzutage viele das Gefühl haben, dass der musikalische Hochglanz und Perfektionsdrang sein Limit erreicht hat und wir eigentlich Sehnsucht nach erdigeren, menschlicheren und ehrlichen Sounds haben. Ich wollte eine menschlichere Version meiner Musik realisieren.“
Der neue Songzyklus wurde dabei inhaltlich von dem Buch ´Love Letter To The Earth´ des vietnamesischen buddhistischen Mönches Thich Nhat Hanh inspiriert.
„Das Album ist ja auch mein Liebesbrief an die Erde“, erläutert Lesley, „ich fühle eh eine starke Verbundenheit zur Natur, zu Bäumen, zu Tieren, zur Erde. Das ist meine Therapie. In Zeiten der globalen Erderwärmung, Plastik im Meer und solcher Sachen sollte die Menschheit – meiner Meinung nach – mehr Anstrengungen unternehmen, einen Weg zu finden, mit der Erde wieder harmonisch zusammenleben zu können. Meine Art das auszudrücken war dann diese Songs zu schreiben.“
Dabei ist Lesley stimmungsmäßig aber ziemlich gut aufgelegt und vermeidet es auch ganz, zu jammern oder wehzuklagen.
„Nun – einer meiner Leitsätze ist 'es ist besser eine Kerze anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen'. Also versuche ich im Sinne von Martin Luther Kings 'I have a dream' zu agieren und nicht die Umstände zu verfluchen. Man kann ja eine Realität aus solchen Versionen erschaffen.“
Und dann gibt es keinen Grund mehr, zornig zu sein?
„Ich bin natürlich auch nur ein Mensch und fühle all diese Dinge – aber ich halte es mit Thich Nhat Hanh der sagt, man solle Bauchatmung machen, wenn man wütend ist, denn der Zorn blase alles Negative zusätzlich auf.“
Das ist alles nachvollziehbar. Was aber hat es mit der Rebellion der Kolibris auf sich?
„Wenn ich Song schreibe weiß ich auch nicht immer genau, worum es geht“, überlegt Lesley, „manchmal macht es Spaß Gedichte wörtlich zu erklären. Ich mag es aber in dem Fall, dass die Revolution der Kolibris ein mysteriöses Konzept ist, dem ich nicht eine einzelne Bedeutung zuweisen möchte. Ich denke dass wir angesichts der politischen Verhältnisse schon eine Revolution bräuchten. Und der Kolibri – mit seiner hohen Herzschlagrate und seiner Kämpfernatur fand ich dann als Metapher sehr passend, denn es ginge dann natürlich um eine Revolution, die vom Herzen ausgeht. Es ist aber sehr vielschichtig und bitte fühl Dich frei, das Konzept selbst zu interpretieren.“
Aktuelles Album: The Hummingbird Revolution (Make My Day Records / Indigo)