Eine Rückkehr, die niemand mehr auf der Rechnung hatte. Knapp 16 Jahre nach ihrem letzten Release melden sich The Afghan Whigs unter Führung von Frontmann Greg Dulli zurück und klingen, als hätte es die lange Pause nie gegeben. Vergessen die vielen Querelen Ende der Neunziger Jahre, hinweg mit den großen Meinungsverschiedenheiten und endlich auf zu neuen Ufern. Dabei helfen soll ´Do To The Beast´, dass siebente Album der ehemaligen Streithähne: „Ich habe beim Schreiben einerseits den Verstand verloren und auf der anderen Seite ging ab einem gewissen Punkt alles wie von selbst“, freut sich Greg Dulli über die Aufnahmen und findet sich damit ab, dass er neben der Reunion von The Afghan Whigs sein Glück privat wohl ewig suchen wird. Comeback hin oder her.
Es gibt Bands, die trifft man zum Gespräch, mag ihre Songs und freut sich, wenn das Interview gut läuft. Bei The Afghan Whigs ist das anders: Diese Combo war schon immer unberechenbar. Nicht nur die vielen Eskapaden gelten längst als legendär, auch Chefvorsteher Greg Dulli wird gerne mit einem brodelnden Vulkan verglichen, der jederzeit ausbrechen kann.Am heutigen Interviewtag scheint man jedoch Glück zu haben, denn vor ihm auf dem Tisch liegt ein Zettel mit dem jeweiligen Namen des Journalisten, der für die nächste halbe Stunde Fragen stellen darf und Dulli ist sichtlich bemüht, sich das Ganze auch ohne Papier einzuprägen: „Ich will freundlich sein“, lächelt er und ergänzt, dass es ihm um nichts anderes damit ginge.
Eine Notlüge, denn natürlich weiß Dulli ganz genau, dass The Afghan Whigs fast zwei Dekaden wie verschwunden waren. Seit 2006 zwar immer mal wieder verstreute Gigs spielten, doch richtig zusammen fanden sie sich erst jetzt – mit dem neuen Album ´Do To The Beast´, dessen Titel minimal und vielsagend zugleich ist.
Ende der Achtziger Jahre gegründet, galten The Afghan Whigs aus Cincinnati/Ohio schnell als Speerspitze des damals noch in den Kinderschuhen steckenden Alternative-Genres. Nicht nur Außenseiter der so genannten Generation X fanden Gefallen an ihren Alben – auch Kritiker lobten jeden neuen Song über alle Maßen und es schien, als könne die Band von nun an nichts mehr falsch machen.
„Ganz so stimmt das nicht, mein Freund“, unterbricht Dulli, „als 1993 ‚Gentleman‘ herauskam, war das für viele unser bis dato bestes Album und trotzdem gingen andere auf die Barrikaden und wollten die Platte auf den Index setzen – weil ihnen weite Teile der Texte zu offenherzig waren.“
Genauer gesagt, The Afghan Whigs tauchten für die Songs in einen Mahlstrom feuchter Männerfantasien hinab und beschäftigten sich mit der Sexualität und dem Zusammensein zweier Menschen aus einer recht eindeutigen Sicht – Dominanz und Einsamkeit, Verletzbarkeit und Macht, darum ging es in den Songs und falsch findet Dulli auch heute daran nichts:
„Im Prinzip sind das die Eckpfeiler, die mich stets beschäftigen und mir sowohl einen Schauer als auch ein Gefühl der Aufgeregtheit vermitteln. Ich bereue das nicht, wohl aber die Tatsache, dass ich damals Single war und es heute wegen genau solcher Texte immer noch bin.“
Gibt er mit einem Lächeln auf den Lippen zu, dass man fast versucht ist, die Distanz aufzugeben und Dulli in den Arm zu nehmen.
„Auf ‚Do To The Beast‘ geht es um den immerwährenden inneren Kampf, den niemand gewinnen kann, aber auch niemand verleugnen sollte. Darauf berufen sich die besten Songs meiner Karriere.“
Sicher, man habe viel gestritten, aber vor zwei Jahren genau so versucht selbst die engstirnigsten Mitglieder von einst wieder ins Boot zu holen und erst im Anschluss mit den Arbeiten an ´Do To The Beast´ begonnen.
„Je älter wir werden, desto festgefahrener sind unsere Meinungen. Es war dämlich, sich mehr als nötig in irgendwelchen Streitereien zu verlieren, aber die Band aufzulösen trotzdem die richtige Entscheidung. Bis auf ein paar Kleinigkeiten würde ich alles noch einmal so machen – da besteht kein Zweifel dran.“
Eine Wiederholung von ´Do To The Beast´ wäre für die Zukunft ebenso wünschenswert, denn auf Anhieb zeigt die Platte, wie fit und agil eine Band auch 16 Jahre nach ihrem letzten Lebenszeichen aufspielen kann.
„Marcus“, schaut er auf den Zettel, „du bist viel zu jung, um uns wirklich zu kennen. Aber dafür, dass wir auch die nächste Generation erreicht haben, bin ich sehr dankbar.“
Man nickt. Eine normale Band waren The Afghan Whigs schließlich nie.
Aktuelles Album: Do To The Beast (Sub Pop / Cargo) VÖ: 11.04.
Foto: Piper Ferguson