Stünden jetzt neue Präsidentschaftswahlen an, der Junge hätte sicher beste Chancen auf den Job. Er besitzt ungemeine Popularität und hat vor allem ein Image, dass man ihm gar nicht immer abnehmen möchte. Der Rüpel aus Detroit Rock City schlägt nun mit seinem neuen Album "Cocky" zurück. Und ein Blick in den Dictionary bestätigt, dass dies nicht wirklich was mit diesem Slangausdruck für das männliche Gemächt zu tun hat.
"arrogant, frech" sagt mein alter Langenscheidt, womit das Bild des 30-jährigen ausreichend beschrieben scheint. Nach über 10 Millionen verkauften Einheiten von "Devil Without A Cause" darf man ja vielleicht auch zurecht die Nase etwas höher tragen. Auch, wenn der Druck des Nachfolgealbums sicherlich hoch ist. Aber für Kid Rock ist es nur ein Job, ein Job wie jeder andere. Die Augen der Firmenbosse bestanden im Nachhinein verständlicherweise aus nässenden Dollarzeichen und brachten Beispiele wie Guns'n'Roses ins Spiel, aber Mr. Rock pochte auf seine alten Country + Blues - Heroen wie Lynyrd Skynyrd, The Rolling Stones oder Marshall Tucker. "Keiner meiner Helden hatte je ein Top Ten - Album, ich hatte auch nie eins." Ob der neue Streich genauso erfolgreich wird, interessiert ihn auch nicht wirklich. "Ich muss ja nicht immer 10 Millionen verkaufen, 4 oder 5 sind doch auch ok, oder? Meine letzte Platte mit dem ganzen alten Material drauf hat sich knapp 3 Millionen mal oder so verkauft." Gleichgültigkeit als Mittel zum Zweck? Arroganz als stilistischer Charakter? Der gute Mann schaut sich seine Fotos an und sieht sich selbst als arrogantes Stück Mist. "Ich bin nicht wirklich ein netter Kerl, aber das ist Teil des Kid Rock - Attitude." Kid Rock ist also eher eine Rolle, in der sich der Mann, der mit bürgerlichem Namen Robert James Ritchie heisst, jedoch sehr wohl fühlt. Es ist der perfekte Job und vor allem verbunden mit einem gehörigen Spassfaktor. Natürlich hat der gute Mann auch etwas zu sagen. Die erste Single "Forever" trägt einen gewissen Spirit in sich. "Sicherlich würde ich gerne ewig hier bleiben, aber auch, wenn es nicht so ist, ist eines sicher: Punk, HipHop, Jazz, Blues - die Musik wird ewig leben. Ich muss nicht ewig on top bleiben, eines Tages werde ich abtreten und Platz für andere machen. Ich freue mich schon darauf, eine richtige Familie zu haben und mein Leben zu geniessen. Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens den wilden Mann zu spielen, ich weiss, dass dies nicht die Realität ist." Und genau dort scheiden sich die Geister wohl. Viele werden das nicht verstehen bzw. nicht wahrhaben wollen. "Ich lebe nicht in Hollywood, sondern nördlich von Detroit in den Wäldern, ich habe viel gesehen und gelernt. Alles was Du liest und siehst, wird wahrscheinlich nicht bestehen. Ich möchte eines Tages ein paar Kinder und eine Ehefrau haben, dick und glatzköpfig sein, Bier trinken, mir Hockey und Football anschauen. Das möchte ich machen, ich werde Geld auf dem Konto haben und ich bin sehr dankbar dafür. Wenn ich jetzt schlau bin, werde ich nie mehr arbeiten müssen. Und in zehn Jahren würde ich gerne rumsitzen und Country Songs machen, das würde mich glücklich machen." Und all das scheint in Hollywood nicht möglich, einem Ort, von dem Kid Rock sagt, dass dort Satan lebt. Dagegen ist das Leben in Michigan sehr lässig. "Meine Nachbarn sind gut drauf, sie respektieren mich und wissen, das ich hier geboren wurde. Sie attackieren mich nicht, sondern behandeln mich ganz normal." Vielleicht ist auch das ein Grund, warum seine Country-Roots auf dem neuen Album mehr Präsenz besitzen. Diese Passion lebt er nun wesentlich stärker aus, als auf dem Vorgänger. "Ich habe diese Musik immer geliebt und es ist genau das, wonach mir derzeit der Kopf steht. Früher habe ich die Songs in meinem Keller mit Hilfe von Samplern und Co. geschrieben, die neuen Tracks sind meist nur mit einer Gitarre auf Tour entstanden. Dieser Prozess hat die Sache in eine gewisse Richtung geleitet. Ich habe immer noch vor, ein straightes HipHop-Album als Kid Rock zu machen, ich habe eine Menge Pläne, aber ich weiss nicht, ob die Leute das unbedingt hören möchten, aber ich möchte diese Dinge tun. Du musst das genau abwägen, du musst den Leuten geben, was sie brauchen und dich slebst gleichzeitig glücklich machen. Ich denke, dieser Balanceakt ist mir mit diesem Album gut gelungen. Natürlich sind einige Tracks echt egoistisch ausgefallen und mag einige Leute abtörnen, aber genau das ist, was Kid Rock ist. If you don't like it - kiss my ass!" Ein weiteres Markenzeichen sind die lässigen Raps, die nach wie vor sehr frisch und spontan klingen. "Ich bin total dem 80's HipHop verfallen, völlig Old School. Ich mag diese Projektion der Stimme, sie wurde damals sehr kreativ, geistreich und witzig eingesetzt. Es muss dich direkt treffen, mitten in die Fresse, und soll leicht verständlich sein. Ich mache keine kopflastige Musik. Es ist ein Haufen einfacher Dinge, die ich zusammen setze, der den Leute hoffentlich gefällt." Ehrlich währt am längsten und lässt auch gerne aufhorchen, wenn es darum geht, den Hintergrund des ewig relaxten Kid Rock zu durchleuchten. "Ich bin immer relaxed und cool. Ob ich betrunken bin oder nüchtern, ob es regnet oder die Sonne scheint. Cooler than the water in a swimming pool."Aktuelles Album: Cocky (Atlantic/eastwest)