Ein dunkler Raum. Kreischende Gitarren. Psychedelische Avantgarde? Oder: Eine unendlich-lange Autobahn. Sonnenschein. Flippige Popmusik! All das und noch viel mehr lässt sich nun einfacher Kategorisieren: 22 Pistepirkko! Beweise gefällig? Im November auf nahezu allen relevanten bundesdeutschen Bühnen!
Erik Ode, Kult-Kommissar der Schwarzweiß-Fernseh-Generation, hätte bei seinen Ermittlungen als erstes gefragt: "Haben diese drei Finnen `was´ genommen?" So abgedrehte Sounds, so vielfältig-phantasievolle, wirklich innovative Klänge sind derzeit eben nicht Standard. Lebt die Tradition von Sex & Drugs & Rock´n´Roll anno 2001erneut auf? PK Keränen (Gesang, Gitarre, Programmierung) lässt uns nicht im Ungewissen: "Rock´n´Roll ist die dunkle Seite, Sex die schöne. Drogen brauchen wir keine. Für mich ist es immer noch wie damals, als wir zu `schreien´ begannen. Wir waren als Teenager schneller als die Ramones! Rock´n´Roll ist die Lebenseinstellung! Sie gibt mir Energie, Hoffnung, lässt mich weitermachen. Du bist fröhlicher! Das ist R´n´R! Es ist nicht zerstörerisch! Nimm die Titel der Sex Pistols, gerade sah ich diesbezüglich eine Dokumentation, sie klingen immer noch extrem gut. Das gibt mir Power. Gleichzeitig wird mir klar, es ist nicht mehr dasselbe für mich, wie damals, als Teenager." PK ist mittlerweile fast 37 Jahre alt (geb. 08.12.64). " Ich habe die richtige Wahl getroffen. Ich möchte nicht über die Pistols urteilen, aber ihre Reunion war nicht cool!" Richtig cool ist Herkunft von 22 Pistepirkko. PK, Bruder Asko (geb. 21.02.62; Bass, Orgel, Synthesizer, Programmierung) und Jugendfreund Espe Haverinen (geb. 23.08.62; Schlagzeug, Gesang, Programmierung) stammen aus Utajärvi, einem winzigem Dorf in der Nähe des Polarkreises, dem auch der Regisseur Aki Kaurismäki entstammt. Dort gibt es laaange Nächte, besonders im Winter. Wirkt sich das auf das Songwriting aus? "Es kommt darauf an, wie hell deine Lichter sind. Die Tage sind extrem kurz, lediglich 4 Stunden Tageslicht. Sonst ist es dunkel, nicht unbedingt schön.Draussen lässt sich da nicht viel machen." Dennoch lassen sich sowohl dunkle wie auch positive Kompositionen erarbeiten. Es käme eben darauf an, was man möchte. Das neue Album, "Rally Of Love", klingt in seinem Titel schon fast wie "Ray Of Light" von Madonna. Kommt teilweise mit Ideen, die den Pet Shop Boys zur Ehre gereicht hätten. Ist das Popmusik? "Ja, kann man so sagen. It is to poppy!" PK lacht. "Nachdem wir z.B. mit "Downhill City" einen Soundtrack aufgenommen hatten, der schöne Musik, schöne Gefühle reproduzierte, überlegten wir uns, was wir nun machen wollten. So kamen wir überein, ein Pop-Album aufzunehmen. Wir sind immer extrem diszipliniert, wenn wir unsere Platten aufnehmen. `Rally Of Love´ sollte sich vom Soundtrack unterscheiden. Aber: Wir mögen beide Spielarten! Unsere Musik soll immer Spass bereiten/machen. Sie ist eben nicht ausschliesslich für Disco-Fans oder Rock-Freaks. Das ist doch das schöne an der Popmusik. Sie ist für alle da." Die Musik soll hier jedoch keine politischen Inhalte transportieren, obwohl sie gegebenenfalls natürlich eine gute Plattform dafür wäre. Das Cover des Albums als auch der Single "This Time" zeigen einen Mann mit Helm, leicht mit einem Soldaten zu verwechseln. "Es ist kein Soldat. Ganz einfach ein Ralley-Fahrer, mehr nicht. Politik lässt sich auf vielen Wegen transportieren. Nimm die Ramones, für mich waren sie sehr politisch. In der Art, wie sie ihre Musik spielten, wie sie sich präsentierten, dadurch andere zum musizieren animierten... ." Waren diesbezüglich nicht The Velvet Underground bereits Jahre zuvor prägender? "Ja, Du hast recht. Aber damals war eben diese Szene so neu für uns, wir gaben einen Dreck auf VU." Der OST "Downhill City" (Underground-Fim mit der `frühen´ Franka Potente) beinhaltet viel psychedelisches, schroffe Gitarrren, Underground-Charme wie jene VU ihn zelebrierten, gleichzeitig aber ebenfalls ambiente Soundwelten. "Ein Soundtrack muss halt der Linie des Filmes folgen, beim Studio-Album kannst Du machen, was Du gerade fühlst, brauchst dich nicht an irgendwelche Vorgaben zu halten." PK ist bekennender Kino-Fan, manche Filme inspirieren ihn später zu diversen Songs. "Ich mag Stanley Kubrick, er war ein Genie. Ich mochte `Full Metal Jacket´, mag ebenfalls sehr gern trashige Filme und japanisches Zeugs wie Dragons und Kung Fu." Bruder Asko ist allgemein sehr stark an Kunst jeglicher Art interessiert, drehte eigene kleine Filme (siehe enhanced part der "This Time"-Single). 22 Pistepirkko näherten sich auch bereits dem Flamenco mit Hanoi Rocks-Leuten, spielten ebenfalls mit Jimi Tenor. "Hanoi´s Andy McCoy offerierten wir 1000 finnische Mark, um mit uns zu spielen. Er spielte viele sehr schlechte Takes, einige waren dann schliesslich doch gut genug. That was nice. Andy war nicht so sehr beieinander. Zehn Jahre zuvor spielten wir mit Jimi Tenor, er war das exakte Gegenteil. Er kam zu unseren Sessions, und hatte alles, bis zur kleinsten Note, vorbereitet!" 22 Pistepirkko arbeiten seit über 20 Jahren miteinander. Wäre es das Ende der Band, würde ein Mitglied aussteigen? Oder ist jeder zu ersetzen? "Das wäre absolut das Ende der Band. Keine Chance für Ersatz! Es ist so toll, zusammen zu spielen. Ein Blick genügt. Wir können kommunizieren, ohne zu sprechen! Natürlich gibt es kleine Streitigkeiten, aber wir sind eine demokratische Gruppe, können über alles reden, abwägen, entscheiden. Die Mehrheit siegt." Was würde PK später gerne rückblickend über seine Musik sagen können? "Dass diese Musik okay, schön war. Das ich mich ihrer nicht schämen müsste. Ich würde als alter Mann gerne Pfeife-rauchend im Schaukelstuhl sitzen, und in einer positiven Art Stolz auf meine Arbeit sein dürfen. Allerdings würde ich es begrüssen, heutzutage schon etwas Geld damit zu verdienen." Um dieses Ziel zu realisieren, bedarf es aber wohl ein welt-umspannendes Netz von Plattenverträgen. Gibt es einen Deal in den USA? "Nein zur Zeit nicht. Eigentlich hatten wir dort noch nie einen Vertrag. Aber wir arbeiten daran." Was schreiben die englischen Weeklies über eure englisch-singende finnische Band? "Sie nehmen es gut auf. Allerdings verstehen sie nicht alles. Oftmals gab es ein `...what the fuck he is singing about´!" Bemerkenswert, mit welcher akribischen Konzentration dieser sympathische Musiker mit der adretten Sixties-Beat-Band-Frisur alle, aber auch wirklich alle, ihm gestellten Fragen beantwortet(e). Selbst auf die verwegensden Fragen gab es nach aufmerksamen Zuhören, intensiven Nachdenken eine ausführliche Replik. Wahnsinn! PK, Danke für diese aussergewöhnliche Gespräch!AKTUELLES ALBUM: RALLY OF LOVE (CLEARSPOT / EFA)