Eine Band, die ihre letzte Platte 2001 vorlegte, die sich schwer tut, Zeitpläne einzuhalten und sogar zu Auftritten zu spät kommt, der kann keine Zukunft prophezeit werden. Im Fuldaer Land machen die Kafkas seit 15 Jahren unbeirrt ihre punklastige Musik und die genannten „Fehler.“ Das Publikum jedoch reißt ihnen, in den stets prall gefüllten Clubs, die Tonträger aus den Händen. Und die T-Shirts vom Leib. Die jungen Radios senden ihre Lieder. Auch MTV hat ihr Video „Klatscht in die Hände“ entdeckt.
Herz und ZornWas haben die Kafkas, was andere Truppen gleichen Kalibers nicht haben? Glaube und Hoffnung allein sind es nicht. Dafür verdammt gute Musik mit Farbe bekennenden Texten sowie eine permanente naive Neugier. Solch eine brachiale Neugier aber, wie sie die Kafkas an den Tag legen wird nur abseits der großen reizüberfluteten Metropolen kultiviert. Auf dem platten Land.
„Wenn die Häuseransammlung, in der du lebst so klein ist, wie dort, wo ich aufgewachsen bin“, erinnert sich Sänger Markus „Gabi“ Kafka, „dann verlierst du selbst die Lust am Fußballspielen. Im Verein waren so wenig Jugendliche, da mussten die Fünfjährigen zusammen mit den Neunjährigen spielen, damit es elf Freunde waren. Das war ein echter Spaßkiller.“
Die neue Hoffnung auf eine andere Freizeitbeschäftigung für den späteren Kafka-Musiker liegt in einer Kassette. Für den, der dies nicht mehr weiß, das sind vorsintflutliche Musikaufzeichnungsmedien. Die hatte ihm eine Nachbarin zugesteckt. Und dort waren Stücke von Sex Pistols oder Fehlfarben versammelt.
„Ich war damals gerade mal 13 Jahre alt“, erinnert sich Markus „Gabi“ Kafka, „und konnte damit partout nichts anfangen. Die punkigen Sphären machte mir wenig später die unsägliche politische Ausrichtung einiger Mitschüler zugänglich. Die fanden es hier in der Fuldaer Ecke damals schick auf ihren Aktenkoffer DVU- oder Republikaner-Aufkleber nicht nur spazieren zu führen, sondern auch so zu denken. Nachdem ich von den Toten Hosen das Stück ‚1.000 gute Gründe’ gehört hatte, hat dies meinen Punk-Zorn so richtig entfacht.“
Ein paar Freunde, fassen sich ein Herz, schmeißen sich zusammen und verschreiben sich dem wilden Punk. Punk, der überzeugt. Textlich. Musikalisch. Die immer größer werdende Anhängerschar honoriert dies, wie oben beschreiben.
Plötzlich Pop
Und die Jahre ziehen ins Land. Kafka-Punk beschallt halb Europa. Und dann das. Die Kafkas erweitern ihren Klanghorizont, reißen die Zäune nieder, steuern neue Ufer an und lassen Pop und elektronische Klänge ins bisher hermetisch abgeriegelte Punk-Terrain. Unwiderrufbar dokumentiert wird dies auf der aktuell vorgelegten CD „Paula.“ Ist das Verrat oder nur konsequent?
„Solange wir, bei aller Ernsthaftigkeit, unseren ausgefallenen Humor nicht verlieren, soll doch, wer will die Punkpolizei rufen“, bekräftigt Markus „Gabi“ Kafka. Der Punk und die neue Popliebschaft zeugen 15 Kinder. Die sind als Stücke auf der neue Kafka-Produktion zu hören. Damit beweisen die Kafkas, dass Haltung, tieferer Sinn und Pop keine Gegensätze sind und sich sogar prima zu gegenseitigen Höchstleistungen anstacheln können.
Mit „Paula“ machen die Kafkas ihrem Namen alle Ehre und liefern einen kafkaesken Soundtrack für Menschen, die partout nicht begreifen wollen, weshalb etwas so sein muss und nicht anders sein darf.
Aktuelles Album: Paula (Domcore / Broken Silence)