Die ganz große Kohle gibt’s im Musicbiz nur über den Weg der Verknappung. Künstlich oder mehr oder weniger natürlich. Der große Fehler, den New Order damals gemacht haben, war doch, sofort nach Ian Curtis´ Tod weiterzumachen. Niemand musste auf sie warten, auf sie verzichten, über ihren Status nachgrübeln. Gut, New Order müssen auch nicht knapsen, aber sie hätten bestimmt mehr Geld absahnen können, wenn sie erst mal von der Bildfläche verschwunden wären. Außerdem ist verschwinden ziemlich cool.
Die Basis der Karriere der Manic Street Preachers. Und die Rückkehr kann dann umso glorreicher inszeniert werden. Niemand hat wirklich auf Axl Rose gewartet – außer Axl Rose – und doch ist er wie ein Messias empfangen worden. Und Faith No More. Keine Band war mehr 90er als sie und jetzt schenken sie uns eine Wiedergeburt im neuen Jahrtausend. Oder Kevin Shields. Auf das neue Material seit gefühlten hundert Jahren würde man auch noch weitere hundert Jahre gespannt warten. Oder Alice In Chains oder oder oder…Und der kleine Moby? Der spielt ja gar nicht in einer Band. Der kann sich ja gar nicht auflösen, um dann geläutert wieder zu seinen ehemaligen Mitstreitern zurückzukehren. Aber er könnte eine künstlerische Pause einlegen, um dann nach erfolgter Selbstfindung oder erfolgreicher Belehrung durch seinen Manager wieder aus der Versenkung aufzutauchen.
“Die Musiker, die eine Pause einlegen, machen das ja meistens, um in dieser Zeit was richtig Cooles zu machen. ‚Fans, ich bin jetzt erst mal ein Jahr lang auf Trekkingtour in Nepal‘ oder so was ähnliches. Ich bin aber ziemlich schlecht darin, mir coole Dinge auszudenken oder vorzunehmen. Wie uncool ich bin, merke ich ständig. Wenn meine Show für 22 Uhr angesetzt ist, warte ich Viertel vor zehn neben der Bühne. Wenn ich um 11 zu einer Party eingeladen bin, komme ich um 5 nach 11. Wenn die Leute bei einem Konzert eine Zugabe wollen, gehe ich raus und spiele eine. Wenn ich nicht auf Tour bin, dann sitze ich zu Hause und mache neue Musik. Ich lebe alleine und arbeite alleine. Wenn ich mir eine Pause nehmen würde, wüsste ich ganz einfach nicht, was ich überhaupt tun sollte.”
Für diesen Prozess der Selbstfindung braucht Moby auch gar keine tatsächliche Pause. Sie ist vielmehr ein Ergebnis der Entwicklungen der letzten Jahre. Dazu trugen einerseits seine letzten beiden Alben „Hotel“ und „Last Night“ bei, als auch die veränderten Bedingungen der Musikvermarktung. Die beiden Vorgänger des neuen Albums „Wait For Me“ drehten sich hauptsächlich um Moby selbst. Er beschäftigte sich mit seiner eigenen musikalischen Sozialisation und mit seinen Wurzeln in der Ravekultur. Sie waren Spiegelbilder seiner momentanen Lebensführung.
”Als ich „Last Night“ produzierte, führte ich ein anstrengendes Leben. Ich war ständig aus, trank viel, nahm Drogen und mein Leben war eine einzige Party. Mit meinem neuen Album wollte ich Musik machen, die nur mit meiner eigenen Kreativität zu tun hat und die sich jemand da draußen von Anfang bis zum Ende anhören möchte. Ich wollte auch auf keine Ansprüche einer Plattenfirma Rücksicht nehmen müssen. Wäre ich noch bei Mute – und somit bei EMI – unter Vertrag, hätte ich niemals den Vorschlag machen können, als erste Single ein Instrumental mit einem Video von David Lynch zu nehmen. Die hätten mich für verrückt erklärt. Jetzt bin ich ein unabhängiger Künstler und kann alles selbst bestimmen. Das Modell der Musikindustrie als Firma, die dem Künstler alle Arbeiten abnimmt, scheint sowieso ausgedient zu haben. Bands wie Radiohead oder Nine Inch Nails sind ja auch bei keinem Label mehr unter Vertrag. Sie engagieren einfach Leute, bestimmte Dienstleistungen für sie zu erbringen und fertig. Wenn Daniel Miller allerdings jemals wieder ein Independentlabel starten sollte, wäre ich liebend gern da unter Vertrag.”
Die unkontrollierbare und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Musik im Netz macht einen Großteil der Musikindustrie hilflos. Was passiert, wenn „Wait For Me“ vor dem Veröffentlichungstermin in irgendeinem venezolanischen Music-Blog zum Download bereitgestellt wird?
“Sich über Musikpiraterie zu beklagen ist genauso sinnlos, wie, sich über das Wetter zu beklagen. Diese eher sorglose Einstellung hat mir schon richtig Ärger mit EMI eingebracht, als ich auf moby.com in meinem Journal die URL für einen Download der neuen Goldfrapp-Platte gepostet habe. Vor der Veröffentlichung. Darum hatte ich mich aber gar nicht gekümmert. Ich habe diese Musik gefunden und mochte sie und wollte sie mit Leuten teilen, die in meinem Journal lesen. Das gefiel EMI natürlich gar nicht und ich musste das sofort löschen. Ich mache Musik, weil ich möchte, dass die Leute meine Musik hören und mögen. Das ist alles. Ich hoffe wirklich, dass ich niemals jemanden dafür verfolgen, bestrafen oder verklagen werde, dass er sich in irgendeiner Weise darum bemüht hat, meine Musik zu hören.”
Aktuelles Album: Wait For Me (Ministry Of Sound/Edel)