Der Begriff „Legende“ wird heutzutage etwas inflationär benutzt, auf Live Skull trifft er trotzdem zu. Vor inzwischen mehr als 40 Jahren war es diese bahnbrechende New Yorker Band, die gemeinsam mit Sonic Youth und Swans Noise-Rock auf die Landkarte brachte, wenngleich ihr der Ruhm, den ihre Seelenverwandten einheimsten, ein Stück weit selbst dann versagt blieb, als sie sich mit Thalia Zedek am Mikro für songdienlichere Strukturen öffnete. 1990 erfolgte deshalb die Trennung, vor rund fünf Jahren kam es dann zur Reunion mit zwei Mitgliedern der klassischen alten Besetzung. Klingt ein bisschen nach Ehrenrunde, ist hier aber tatsächlich deutlich mehr. Drei ausnahmenlos feine Platten haben Mark C., Rich Hutchins und Co. seitdem veröffentlicht, mit denen sie den Geist der alten Tage mit frischem Elan und beeindruckend mühelos ins Hier und Jetzt befördert haben, und auch beim mitreißenden Gastspiel im Kölner Sonic Ballroom ist für Nostalgie nicht viel Platz. Eingerahmt von zwei Klassikern aus den 80ern – ´Debbie´s Headache´ und ´Machete´ – legen Live Skull den Fokus auf ihre neuesten Alben. Doch obwohl das bedeutet, dass der Nihilismus der durch No Wave oder Glenn Branca beeinflussten Frühwerke in den Hintergrund rückt (den einzigen Rückgriff auf diese Phase, ´Mr. Evil´, gibt es am Ende der Zugabe), ist ihr messerscharfer, unbändiger Sound auch jetzt noch eine perfekte Symbiose aus Melodie und Anarchie. Letzteres verkörpert niemand besser als Drummer Hutchins, der oberkörperfrei nicht nur seine Tattoo-Sammlung zur Schau stellt, sondern auch mit expressiver Motorik im Stehen trommelt und dabei selbst nach all den Jahren eine Power entwickelt, die wirklich bemerkenswert ist. Auch inhaltlich hat sich nicht viel geändert, denn mit seinen Texten legt Mark C. immer noch den Finger in die Wunde. War es einst die Wut auf Ronald Reagans rückwärtsgewandte Politik am rechten Rand des Spektrums, die die Texte des Sängers und Gitarristen befeuerten, ist es nun die Enttäuschung, dass rund 40 Jahre später die antiaufklärerischen Ideen von damals wieder überall auf fruchtbaren Boden fallen. In Köln braucht es deshalb nur ein paar Songs, bis klar ist: Live Skull sind heute genauso inspirierend und wertvoll wie damals.
Weitere Infos: liveskull.bandcamp.com