Sowas ist zur Zeit sicherlich nur in Berlin möglich: Ohne aktuelle Veröffentlichung und ohne professionellen Promotion-Aufwand lud die norwegische Wahlberlinerin Anna Lena Bruland a.k.a. Eera zu einem Showcase in der angesehenen Indie-Live-Kneipe Schokoladen – und alle kamen. Jedenfalls war der Laden bereits im Vorfeld ausverkauft. Das mag auch daran gelegen haben, dass Eera als Support ihre südafrikanische Kollegin Lucy Kruger eingeladen hatte, die ja gerade eigentlich noch mit der Präsentation ihres vor kurzem erschienenen Album „Heaving“ beschäftigt ist.
Gerade weil das aber so ist, machte Lucy etwas, wovon ihr alle abgeraten hatten: Zusammen mit ihrer Partnerin Liu Mottes spielte sie ein komplettes Set mit unveröffentlichten, neuen Stücken. In diesem Setting nahm ihr das aber nun wirklich niemand übel, denn hier war ja ein echtes Fachpublikum am Start. Mangels Vergleichsmöglichkeiten lässt sich natürlich nicht sagen, ob dann auch alles so klappte, wie sich Lucy und Liu das vorgestellt hatten – es schien aber durchaus so. Wohl auch, weil Lucy die zuletzt entdeckte Methode, ihre Songs außer mit schroffen psychedelischen Gitarrenwänden auch mit elektronischen Bass-Elementen und Drumloops anzureichern, um diesen einen organischen Puls als Basisi zu verleihen (wie sie sagt) auch für die neuen Tracks anwandte. Auch aufgrund dessen, dass der Vortrag so ungewohnt dynamisch verlief und sich nicht alleine auf das Aufbauen von Spannungen bezog (wie das früher oft der Fall war) geriet die Sache dann zu einem kurzweiligen und unterhaltsamen Event. Mal sehen, was sich daraus eventuell noch entwickelt- denn strukturell und soundtechnisch haben die neuen Stracks durchaus Potential im expandierenden Lucy-Kruger-Sounduniversum.Anna Lena Bruland hatte hingegen gar keine neuen Songs im Gepäck – was aber so viel nicht ausmachte, da sie die Songs ihres im Dezember 2021 erschienenen zweiten Albums „Speak“ ja noch nicht flächendeckend hatte präsentieren können. Auf „Speak“ geht es – laut Anna Lena – um die Repräsentation eines neu gefundenen Selbstbewusstseins im Gegensatz zur fragenden Qualität ihres Debütalbums, des Coming Of Age Werkes „Reflection Of Youth“. Ohne Frage schlug sich dieses Selbstbewusstsein dann musikalisch auch in einem dementsprechend konsequenten Setting nieder. Ohne live-Bassisten – dafür aber mit Synthie-Sounds und zeitweise zwei Gitarren – präsentierten Anna Lena, Multiinstrumentalist Allistair Kellaway und Drummer Tobias Humble das in den Studioversionen zuweilen spröde verzettelte Material mit viel Dynamik und zuweilen (wie etwa bei dem als Singe veröffentlichten Track „Ladder“) sogar im kraftvollen Grungerock-Modus. Dabei zeigten Anna Lena und ihre Jungs ziemlich originelle Ideen: Beispielweise indem sie Anna Lena’s und Allistairs ziemlich unterschiedliche Gesangsstimmen parallel und ohne Effekte zu einem vielschichtigen Klangkörper verwoben. Oder indem Anna Lena mitten im schönsten Riff-Orkan mit einem Bottleneck hantierte, ohne dabei in Country-Seligkeiten zu verfallen. Oder indem die in den Studiotracks oft isolierten elektronischen Elemente hier nun zur Unterstützung der Struktur herangezogen wurden, was zuweilen gar zu Jam-Passagen führte. Als Zugabe spielte Anna Lena dann auch noch solo den älteren Track „Undressed“ - und hier offenbarte sich dann, warum die Gute gerne auch schon mal als „norwegische PJ Harvey“ tituliert wurde. Ansonsten aber hätte man sich schwer getan, Eera’s Set irgendwelchen konkreten Inspirationsquellen zuzuordnen, denn gerade im Mix der verschiedenen Elemente präsentierte Eera an diesem Abend schon einen recht eigenständigen, kreativen Beitrag in Sachen Indie-Rock.
Weitere Infos: eeramusic.bandcamp.com/music