Das diesjährige Reeperbahnfestival hat in der derzeitigen Konstellation – mit einem gewaltigen Rahmenprogramm aus Vorträgen und Veranstaltungen - als Branchentreff die Spitzenposition zweifelsohne eingenommen. Und für die Musikfans bot sich – trotz der beengten Venue-Situation, die sich erst mit der Eröffnung des neuen Clubhauses am Spielbudenplatz legen wird – ein ausgezeichnet organisiertes Musikfest, das in puncto Internationalität und Vielfalt wahrlich seinesgleichen sucht. Insbesondere überzeugte die ausgezeichnete Organisation und das Timing. Wenn nun noch die Möglichkeiten der kostenfreien Planungs-App im Vorfeld auf der Website zur Verfügung stünden, wäre dieses in Zukunft als perfekt zu bezeichnen. Lediglich der Umstand, dass in den kleineren Clubs die Maxime zu gelten schien, die Musiker auf keinen Fall hinreichend zu beleuchten, sorgte für Abstriche beim Musikkonsum. Und was die Musikauswahl betraf, so war hier sicherlich für jedermann etwas dabei, wobei besonders die landesspezifischen Showcases für etliche Entdeckungen und Überraschungen gut waren. Besonders stark vertreten waren dieses Mal die Kanadier, die an mehreren Tagen im Neidclub aufspielten, und die mit der Frankokanadierin Klô Pelgag und The Jessica Stewart Few, die mit japanischen Roots und Instrumenten Acts aufboten, die für exotische Noten sorgten. Die Australier schwitzten sich im ausgelagerten Molotow am heißesten Festival Tag zurecht und hatten mit der Durchstarterin Gossling auch einen echten Hit am Start. Die Holländer gaben sich im Gosch-Restaurant die Ehre und die Isländer reichten bei ihrem Showcase in der Spielbude Aquavit und Häppchen. Überhaupt ist der internationale Charakter des Festivals das, was die Sache besonders attraktiv machte. Neben den genannten Nationen und (natürlich) angelsächsisch orienterten und heimischen Acts fuhren zum Beispiel die Franzosen mit Lilly Wood & The Prick und dem Deutschland Debüt Cats On Trees gleich die Creme ihrer international ausgerichteten Live Acts auf. Neben Island war Skandinavien ebenso vielseitig vertreten. Angesagte Pop-Acts wie The Majority Says auf dem Reeperbahn-Bus, Indie Acts wie Jennie Abramson im Nochtspeicher, The Alcoholiv Faith Mission im Grünspan oder die ganze Kapelle von Golden Kanine, die sich in den kleinen Plattenladen Michelles gezwängt hatte boten da auch wieder eine ganze Menge. Der Neuseeländer Liam Finn verwandelte das Vereinsheim von St. Pauli und die Bühne von Ray Cokes Reeperbahn-Revue im Schmidts in ein Tollhaus und die Israelin Adi Ulmanski rockte vom Reeperbahn-Bus ohne Band und Instrumente den ganzen Spielbudenplatz. Während eingangs des Festivals in der viel zu kleinen Hasenschaukel die Americana-Freunde bei uns noch unbekannte Songwriter wie Carson McHone, Dana Falconberry, Aisha Burns oder Jesse Moore von East Cameron Volkcore als Solo-Acts entdecken konnten, konnten die jugendlichen Fans auf den gut besuchten Label-Nights angesagte Acts wie Hozier oder die Beatsteaks bewundern, sich von der alles und jeden zitierenden Judith Holofernes einlullen lassen oder absurde Newcomer wie die Disco-Truppe Mausi aus London im Docks bestaunen. Überhaupt empfiehlt es sich, das Reeperbahn-Festival als Entdeckungs-Plattform zu begreifen, wobei aber auch die Veranstaltungen mit den großen Namen durch den jeweiligen Wechsel des Publikums von Auftritt zu Auftritt und die Kombination mit Newcomern für Abwechslung sorgten. Lediglich eine erneute Ausweitung des Angebotes wäre nicht zu empfehlen, denn bereits dieses Mal musste selbst der eifrigste Konzertgänger vor dem gewaltigen Angebot kapitulieren und am Ende mehr auslassen als er wahrnehmen konnte.