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HARALD MELLER, KAI MICHEL, CAREL VAN SCHAIK

Die Evolution der Gewalt

(dtv, 364 S., 28,00 Euro)

Meller ist Archäologe (und als Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt nicht nur der Hüter der "Himmelscheibe von Nebra", sondern auch ihr oberster und darin äußerst geschickter Vermarkter), van Scheick ist Evolutionsbiologe und Verhaltensforscher (u.a. hat er viele Jahre lang die Intelligenz und soziale Interaktion der Orang-Utans im indonesischen Dschungel studiert) und Michel der bewährte Autor und Literaturwissenschaftler (und Historiker), der mit van Schaik wie auch Meller schon einige sehr erfolgreiche Bücher zur Vorgeschichte verfasst hat (zuletzt eines über "Das Rätsel der Schamanin" - s. WZ 03/23) - ein anscheinend perfektes Dreigespann, wenn es darum geht, der Frage "Wieso führen Menschen Krieg?" auf den (wissenschaftlichen) Grund zu gehen. Dazu werden "Cold Cases in der Eiszeit" inspiziert und die "Kriegsmaschine Staat" ausgeleuchtet, der "Krieg gegen die Frauen" und der "Im Namen Gottes" analysiert und schließlich auch nach Wegen gesucht "Die Bestie (zu) zähmen". Eine klare Definition, was denn unter "Krieg" zu verstehen ist, wird dabei von Anbeginn vermieden; durch eine mal weite und flexible, mal sehr konkrete Auslegung können nämlich sowohl die Auseinandersetzungen verschiedener Affenarten untersucht und eingeordnet werden wie auch das aggressive Verhalten zwischen Herrschern über menschliche Clans, Gruppen, Völker. Die als Jäger und Sammler durch ihre altsteinzeitliche Welt ziehenden Nomaden hatten zum einen genug Platz, sich im Zweifelsfall einfach aus dem Weg zu gehen und waren zum anderen an Transfer und sozialer Interaktion mit "Fremden" aus ganz praktischen Gründen (wie Partnergewinnung, Austausch von Dingen und vielleicht auch Tratsch) interessiert. Das war über Jahrtausende der "Normalzustand" und es bedurfte enormer Kräfte und neuartigen, erst mit der Sesshaftwerdung auftauchenden Konzepten wie "Besitz", "Macht" und "Staat" (und damit zusammenhängend nicht zuletzt geschickter Aufstachelung = "Propaganda"), um die Menschen davon zu überzeugen, dass es "heldenhaft" und "notwendig" sei, seine Nachbarn zu erschlagen. Es ist also - das wird hier recht überzeugend und aus unterschiedlichsten Perspektiven klar - mitnichten "Homo homini lupus", der Mensch dem Menschen ein Wolf (dass Hobbes und Schopenhauer diese aus einer antiken Komödie stammende Sentenz zumindest arg verkürzt, wenn nicht gar sinnentstellend verwendet haben, bleibt dabei nicht unerwähnt). Ebenso arbeiten die Autoren - nicht ohne Scham - heraus, dass gerade die momentan (keineswegs zu unrecht) viel gescholtene und sich im Patriarchat auch strukturell manifestierende "toxische Männlichkeit" als gelerntes (Fehl)Verhalten ein Übriges dazu betrug (und -trägt), die im Grunde - und davon sind Meller-Michel-van Schaik zutiefst überzeugt - friedliche Menschheit in vermeintlich heroische Kriegshandlungen zu verwickeln. "Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte" ist gerade durch den immer wieder eingeflochtenen Bezug zu heute, zu aktuellen Problemen, Entwicklungen und Konflikten ein sehr zu empfehlendes Buch. Denn wir haben immer eine bessere Wahl als Krieg, wir müssen es nur wollen. Weil: "Wo Schimpansen auf Dominanz und Egoismus setzen, sind wir höchst sozial. Wir sind die netten Affen."
Weitere Infos: www.dtv.de/buch/die-evolution-der-gewalt-44538


März 2025
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