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FRANZ WAUSCHKUHN/CARL-LUDWIG PAESCHKE

Derby der trojanischen Pferde

(Osburg, 224 S., 20,00 Euro)

Dieses Buch möchte "Eine Finanzgroteske" sein (so steht es auf dem Umschlag), vielleicht auch ein Krimi (denn es gibt eine Leiche), vielleicht sogar ein Aufklärungs- wenn nicht Positionspapier (denn geschrieben wurde es von einem Ex-Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums und einem Ex-ZDF-Redakteur). Und doch wird es kaum einer dieser Ambitionen gerecht, denn grotesker als das reale Geschäft der (Investment)Banken, konkret deren Cum-Ex-Deals, kann keine Fiktion sein – also ist Finanzgroteske eher eine Untertreibung. Für einen Krimi ist der Text aber zu nüchtern, auch zu "finanztechnisch": die MinisterLeiche treibt mehr oder weniger "grundlos" durchs Hafenbecken - ob es nun ein Unfall oder Mord war, scheint niemanden so recht zu interessieren. Aufklären will das Werk hingegen mit einiger Vehemenz und mit einer Nachdrücklichkeit, die angesichts des bisher von den Medien eher zurückhaltend beschriebenen kriminellen Sumpfes in den BankPalästen ("Cum-Ex" ist ja nur ein besonderes krasses Beispiel für die ausgeprägte Gewissenslosigkeit und asoziale Arroganz der "Banker") ja auch durchaus gerechtfertigt ist. Wobei recht offensichtlich ist, wem hier die Sympathie der Autoren gehört: das "klassische" Bankwesen der honorigen (z.B. Hamburger) Kaufleute und "Bankiers" ist schon OK, nur eben die Großbanken, die Spekulanten, die internationalen Anwaltskanzleien – die sind wirklich schlimm, ganz ganz schlimm. Das sind sie zweifellos, nur wird das dem allem zugrunde liegende, grundfalsche System an sich an keiner Stelle hinterfragt. Und so wird aus dem vielversprechenden Ansatz, in einem dezidiert "fiktiven" Roman Dinge zu schildern, die im Wirtschaftsteil von ZEIT und FAZ aus vielerlei Gründen ausgespart wurden (und werden) denn doch eine (kleine) Enttäuschung. Der Nestor der Hamburger Privatbank (jeder wird in Sebastian Franck den Herrn Christian "Warburg" Olearius erkennen) ist grundehrlich und unschuldig, er wird nur anstelle der fiesen Frankfurter Groß- und der politisch bestens vernetzten und somit gleichfalls unangreifbaren Landesbänker "publikumswirksam ans Kreuz genagelt". Das ist genauso klischeebeladen wie die reichlich eingestreuten PseudoWeisheiten, dass etwa wirklich feine Stuckarbeiten (z.B. im ausgiebig bewunderten Berliner Stadtschloss, bekanntlich ein städtebauliches Verbrechen sondergleichen) nur noch von polnischen Edelhandwerkern beherrscht werden oder die Mittelspur der Autobahn die sicherste ist (und selbige deshalb von professionellen Chauffeuren – in der Realität aber mehrheitlich von denkfaulen Sonntagsfahrern - bevorzugt wird) und stört das Vergnügen doch erheblich. Zudem ist die Geschichte auch nicht wirklich gut erzählt, zwischen kurzen Szenenbeschreibungen stecken immer wieder recht unmotivierte Vorträge zur Finanzmechanik – vorzugsweise als Monolog einer der durchweg blassen Hauptfiguren. Ich zumindest hatte mir hier mehr erwartet als eine eher unterdurchschnittlich gut geschriebene Reinwaschung der Privatbankiers.
Weitere Infos: www.osburg-verlag.de/texte/seite.php?id=643196


November 2023
ANTON ARTIBILOV
DAN DINER (Hrsg.)
DOMINIK SPENST
FRANZ WAUSCHKUHN/CARL-LUDWIG PAESCHKE
HARALD HAARMANN
JENNY ODELL
JOEY REMENYI
MARLENE STREERUWITZ
PER J. ANDERSSON
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