(Ventil Verlag, 184 S., 35,00 Euro)
Ich bin eigentlich kein großer Freund von KünstlerRückblicken auf erbrachte Heldentaten, aber die 3 Herausgeberinnen haben (nicht nur) im Rahmen der berühmten "M-Projekte" (also der Bands Mania D, Malaria und Matador, aber auch mit Monika-Enterprise oder Moabit Musik) zweifellos Wesentliches und Bleibendes geleistet. Und das verdient unbedingt eine Würdigung, gerade in Anbetracht der Schwemme von Oral-History-Absonderungen weit weniger relevanter Zeitgenossen. Schließlich fehlt bisher eine umfassende historisch-kritische Aufarbeitung, das Bahnbrechende dieser MusikFrauen blieb trotz aller "Legende"-Rufe stets im Schatten von mehr (etwa Einstürzende Neubauten) oder weniger (vielleicht Neu! ?) unaminen Kollegen. Dabei war die – verglichen mit den BatikKleidTrägerinnen des 70er-Feminismus – radikal-(un)dogmatische Art und Weise, in der sie das männerdominierte MusikBusiness mit einer gesunden Mischung aus Arroganz und Ignoranz herausforderten, doch die beinahe perfekte Übertragung der DIY-Philosophie des Punk auf künstlerische und (wenn auch in kleinerem Maßstab) ökonomische Prozesse. In erinnernden Gesprächen miteinander und mit Beiträgen von Weggefährten wie Diedrich Diederichsen, Nick Cave oder Mark Reeder ziehen Bartel, Gut und Köster Bilanz, denken an gelebte künstlerische Freiheit und Spaß, aber auch an erlebte Beschränkungen und Widerstände. Gerade die Details sind spannend: ich habe Gudrun Gut z.B. vor Jahren mal gefragt, wie sie eigentlich zu "Les Disques Du Crépuscule" gekommen sind. "Das lief über New Order, mit denen wir ein paar mal gespielt hatten.", war seinerzeit die Antwort. Aus den "M_Dokumenten" erfährt man Genaueres (und auch besser zu den zeitlichen Abläufen Passendes), nämlich dass Malaria!-Fan und Gelegenheits-Live-Soundman Mark Reeder seinerzeit mit Crépuscule-(Co)Chefin Annik Honoré liiert war und die Musik der Berlinerinnen in Brüssel empfahl. GG kommentiert das im Buch (sich nun genauer erinnernd) lakonisch so: "Annik Honoré fand uns toll. Also ein Klassiker: Eine Frau nimmt uns dann ernst." Was dazu führte, dass das mythenumwobene, von Bettina Köster etwas zu kurz greifend als "der kontinentale Ableger von Factory Records" bezeichnete EdelLabel Ende 1981 (oder doch erst im Januar ’82? Ein Fall für Historiker!) zwischen Gavin Bryars und Josef K die erste 7" von Malaria! an den Start brachte. Man könnte sich weiter in etlichen anderen Geschichten und Anekdoten verlieren - insbesondere der von PromoFotos und Plakaten über Konzept-Niederschriften und Textentwürfe bis zu Notizzetteln ("Liebe Gudrun! Bitte komm sofort zum SFB. Nimm Taxi! Bettina") und VertragsKopien reichende BildTeil des Buchs böte da eine Menge Ansatzpunkte. Aber bevor ich mich komplett verzettele, fassen wir mal zusammen: Das Buch ist nicht ganz billig, angesichts der dargebotenen Fülle von Informationen und mit Blick auf die wie erwähnt bisher sehr dürftige Quellenlage zu diesen Pioniertaten selbstbestimmter Frauen in einer MännerMusikWelt jeden Cent wert.Weitere Infos: www.ventil-verlag.de/titel/1893/m_dokumente