(Residenz Verlag, 229 S., 24,00 Euro)
Mit "Superheldinnen" landete die in Wien lebende Serbin vor 5 Jahren einen großen Erfolg, inkl. diverser Literaturpreise und einer Theateradaption. Ihr zweiter Roman spielt jedoch nicht in Österreichs Metropole, sondern in der eigentlichen Heimat der Superheldinnen, im kaputten Vorstadtmilieu, konkret in Banovo brdo, einem von Gewalt und Perspektivlosigkeit geprägten (Roma-)Stadtteil von Belgrad. Und in den 90ern, also der Zeit des post-jugoslawischen Zerfalls, der Kriege und vor allem der Zerstörung - von Dingen und Leben, Biografien und Hoffnungen gleichermaßen. Weil sich die drei Protagonisten in Zeitschleifen verirren (ein eigenartiger Wissenschaftler hat auf der Suche nach der verloren Einheit des Tito-Staates eine Zeitmaschine gebaut und Vanja, Marko und Kassandra sind unfreiwillige Zeitreisende), er- und durchleben sie ihre Pubertät ganz anders als "normal". Die Gefühlswelt der Valentina Dimic (die – schöner StilTrick! - vom Text permanent in der zweiten Person angesprochen wird) ist die einer 14jährigen, egal ob ihr Körper gerade der des Jahres 1995, 1999, 1993 oder 1996 ist. Auf der Jagd nach einem geheimnisvollen "Medaillon" (dessen Macht in einer bitterbösen, hier keinesfalls zu verratenden Auflösung dekonstruiert wird) versuchen die drei die in jeder Hinsicht aus den Fugen geratene Welt zu reparieren und erleben dabei verrückte, zumeist traurige Dinge – bestens zusammengefasst in dem schlichten Satz: "Dieses Gefühl, wenn du realisierst, das war kein böser Traum, sondern einfach gestern." An anderer Stelle bricht Vanja den Irrsinn des Krieges auf ihre Erlebnisse auf einer Klassenfahrt herunter und schlussfolgert aus der dort stattgefundenen "hirnlosen Gruppenbildung" so naiv wie richtig: "Und ich verstehe nicht, warum wir im Krieg mit den ehemaligen Republiken sein müssen etc. Das hat noch nie jemandem etwas gebracht, warum können wir nicht alle auf ein paar Orte und Sachen verzichten und weiterleben...". Dieses Buch ist eine plastikbunte Kombination, ist absurde Science-Fiction genauso wie einfühlsames Coming-of-Age, ist (beinahe) ein Kriminal- und auf jeden Fall ein Abenteuerroman. Uns im satten "Westen" fehlen – zum Glück – die unmittelbaren Erfahrungen in solch einem Soziotop, dank dieses Romans können wir aber doch einigem davon nachspüren. Als Zugabe gibt’s eine Anleitung für ein Rollenspiel in der "verschissenen Zeit". Aber weil ich von Rollenspielen noch weniger Ahnung habe als vom Rest-Jugoslawien der "Allneunziger", haben wir da mal fein die Finger von gelassen.Weitere Infos: www.residenzverlag.com/buch/die-verschissene-zeit