Es ist wichtig zu wissen, dass das neue Werk des Kanadiers Dan Snaith alias Caribou weder etwas mit Rentieren, noch mit Andorra, noch mit gebündeltem Gemüse zu tun hat - so wie das Name, Titel und Artwork etwa assoziierten. Vielmehr ist Snaith einer dieser Künstler, die sich assoziativ im freien Raum bewegen und dieses irgendwie auch durch ihre Musik auszudrücken wissen. Das neue Werk, „Andorra“, ist eine grandiose, bombastische Gitarren-Pop Oper geworden, die Snaith - mit ein wenig Unterstützung von Jeremy Greenspan von den Junior Boys - ganz alleine in seinem Schlafzimmer zusammengefrickelt hat.
Kaum zu glauben, dass diese extrovertierte, plüschig-psychedelische Klangwolke ausgerechnet von dem eher asketischen Filmemacher Werner Herzog inspiriert sein soll.„Also ich kannte Herzog gar nicht, habe aber zufällig dessen ‚Grizzly Man' Film gesehen“, berichtet Dan, „das hat mich auf Herzogs andere Filme gebracht und je mehr ich gesehen habe, desto besessener bin ich von seiner Arbeit geworden. Ich habe mir dann alles vom ihm angeschaut. Wenn ich Musik mache, kommt die Inspiration für gewöhnlich von der Musik selbst. Ich bin also nicht jemand, der von der Schriftstellerei und der Kunst als solcher beeinflusst wird. Das, was mich aber an Herzog fasziniert, ist die Art, in der jeder seiner Filme einen kleinen Einblick in seine Vorstellungskraft erlauben. Du musst Dir vorstellen, dass ich zu Hause in diesem eher banalen kleinen Schlafzimmer meine Stücke aufnehme. Musik ist für mich also Eskapismus - und so etwas wie die Flucht in meine Vorstellungskraft. Da sah ich durchaus schon Parallelen. Das hat mich also dazu gebracht, meine Arbeit in einer ähnlichen Weise zu betrachten.“
Nun ist das ja so, das Herzog es mit der Genauigkeit - auch bei seinen Dokus - nicht immer so ganz genau nimmt.
„Ja, das stimmt“, überlegt Dan, „ich weiß nicht, inwieweit das mit meiner Musik übereinstimmt, aber er lässt ja auch immer gewisse persönliche Noten in seine Arbeit einfließen und ich denke, das gibt den Sachen mehr Tiefe und metaphorische Bedeutung.“
Das ist zweifelsohne bei Dan Snaith auch der Fall. Wenn man sich Dans Songs so anhört, in all ihrer Grandezza, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass er hier etwas einfangen will, das durchaus größer als das Leben ist.
„Exakt“, bestätigt er, „darum geht es. Speziell wenn Du siehst, wie ich aufnehme. Ich meine: es gibt viele, die in ihrer Wohnung aufnehmen - aber oft hört sich das dann auch so an; als säßen sie eben in ihrer Wohnung. Das finde ich nicht besonders aufregend. Ich möchte die Leute an einen Ort transportieren, der wirklich besser ist als der Ort an dem ich oder sie sich gerade aufhalten. Wenn es eine Parallele zu der Herzog-Doktrin gibt, dann ist es dieser Umstand. Und dazu gehört, das in meinen Songs etwas mehr passiert, als das, was ich selber gestern erlebt habe oder so...“
Ist das auch der Grund, dass Dans Songs mit vielen Effekten geradezu psychedelisch aufgebauscht daherkommen?
„Das ist ein Stilmittel“, erklärt Dan, „das ist wie mit den ‚explodierenden Drums', die ich vorzugsweise einsetze. Irgend etwas braucht es, um die Sache zusammenzuhalten, die ansonsten auseinander fallen könnte. Und eine Ästhetik, die ich wirklich mag, und die bestens dazu geeignet ist, ist die psychedelische Musik. Allerdings geht es mir nicht darum, eine romantisch verklärte Hommage an die 60s zu schaffen, sondern nur um den Sound.“
International hat sich Snaith mit seinem Caribou-Projekt - besonders durch seine berüchtigten Live-Shows mit zwei Drummern - bereits eine gewisse Reputation erspielt. Es wäre zu wünschen, dass ihm dieses mit „Andorra“, seinem bislang zugänglichstem Album, auch hierzulande gelänge!
Aktuelles Album: Andorra (City Slang / Indigo)
Foto: Jason Evans