In der nahen Vergangenheit sind Architecture in Helsinki mit Nettigkeiten geradezu erschlagen worden. Mit ihrem neuen, dritten Album »Places Like This« hat die Band nun die einzig richtige Konsequenz daraus gezogen: und sich verändert.
“Wenn ich Begriffe wie Twee-Pop höre; Begriffe, die in der Vergangenheit mit uns in Verbindung gebracht worden sind, wird mir unweigerlich schlecht”, erzählt Kellie Sutherland, Sängerin und Keyboarderin von Architecture in Helsinki. Und dabei ist Twee-Pop, dieses vom NME in den 80er Jahre erfundene Siglum süßlicher Popmusik, beileibe nicht die einzige, längst verschlossen geglaubte Schublade, die von Seiten der Musikpresse eigens geöffnet worden war, um den Charme dieser Band mit Hilfe epigonaler Beiordnungen einzufangen. Liest man sich durch die Vielzahl an Reviews des Vorgängeralbums “In Case We Die”, so stößt man unweigerlich auf identische Analogien; auf Vergleiche mit Bands wie Arcade Fire oder Broken Social Scene, mit dem Elephant Six Collective und Gruppen wie The Olivia Tremor Control – Analogien, die in der Vergangenheit keinesfalls jeglicher Grundlage entbehrten.Wie viele der besagten Bands hatten sich auch die Australier eine kollektive Band-Struktur zu Grunde gelegt und damit begonnen, sich die künstlerische Tünche einer quirligen Kindertagesstätte zu geben. Auf diese Weise hatte man eine Musik zustandegebracht, die durch den Einsatz einer Vielzahl von Instrumenten den Anschein kunstvoller Wahllosigkeit erweckte. Ein Trugschluss, wie sich heute herausstellt: Man habe sich damals zwar als Kollektiv gegeben und gefühlt, so Sutherland, jedoch sei die künstlerische Verantwortung nur in der Hand von Wenigen gewesen.
“Im Grunde haben Cameron Bird, unser Sänger, und James Cecil damals alle Songs geschrieben und produziert”, erzählt sie.
“Places Like This” ist nun in vielfacher Hinsicht anders als seine Vorgänger. Architecture in Helsinki sind ihren kommunardischen Anfängen entwachsen und haben sich selbst zu einer regulären, sechs-köpfigen Band formiert – eine Entwicklung, die vor allem den äußeren Umständen geschuldet ist:
“Als wir gerade damit begannen, Ideen für ein neues Album zu sammeln, beschloß Cameron auf einmal, aus Melbourne fortzugehen und nach Brooklyn zu ziehen. Wenig später zog es James nach Brasillien, und wir mussten uns ernsthafte Gedanken machen, wie wir die Band weiter aufrechterhalten konnten. Also begannen wir damit, unsere Musik stärker zu individualisieren. Jeder fing damit an, eigene Ideen zu entwickeln und aufzunehmen. Einmal die Woche haben wir dann eine Telefonkonferenz gemacht und unsere Pläne aufeinander abgestimmt”, berichtet Sutherland über die damalige Situation. Das neue Album entstand auf diese Weise zwischen den Kontinenten, in Form einzelner Audio-Dateien, die zwischen Amerika und Australien hin und her wanderten.
Nun hat die räumliche Trennung noch in ganz anderer Hinsicht ihre Handschrift auf diesem Album hinterlassen. Sie hat die Musik dieser Band selbst verändert und zwar in solchem Ausmaße, dass eine Vielzahl ihrer ehemaligen Fans und Freunde auf diese Platte blicken werden, als hätte ihr Heimatort gerade dem Braunkohle-Abbau weichen müssen.
“Cameron ist in New York in ein puertoricanisches Viertel gezogen. Den ganzen Tag liefen da die Autoradios und Ghettoblaster. Irgendwann hat er angefangen, die Sachen zu samplen und in unsere Musik zu integrieren”, so Sutherland.
“Places Like This” ist übersät und im besten Sinne kontaminiert mit Rhythmen und Melodien aus Mittelamerika und West-Afrika. Songs wie die erste Single “Heart it races” sind rhythmisch getragen von Kongas und Steeldrums. Auf “Lazy” etwa gibt es eine wunderbar kernige Afrobeat-Gitarre. Mit “Weltmusik” hat das sicherlich wenig zu tun, sondern erinnert vielmehr an das “Speaking in Tongues” Album der Talking Heads, deren Frontmann David Byrne ein großes Vorbild der Band ist.
“Vor einigen Jahren habe wir ein paar Konzerte mit David Byrne in Australien gespielt. Und seit dieser Zeit war er immer wieder auf Konzerten von uns. Ich würde sehr gerne wissen, was er von diesem Album hält. Wir sind alle große Fans von ihm, er ist solch eine Inspiration.”
Architectur in Helsinki haben sich verändert. Bleibt abzuwarten, ob sie auch weiterhin mit Nettigkeiten erschlagen werden.
Aktuelles Album: Places Like This (Moshi Moshi/ Cooperative Music/ Universal)