Es ist schon ein paar Jährchen her, als George Evelyn aka Nightmares on Wax mit „Smoker’s Delight“ die Welt aufhorchen ließ. Wie Kollege Dennis Behle richtig schreibt, handelt es sich dabei sozusagen um die Blaupause für Downbeat und Chill-Out-Sound. Millionen Raver und Kiffer weltweit bekamen endlich die Musik, die sie brauchten, um von all dem Stress der 90er Jahre zu entspannen. Für George hingegen fing der Stress an. Er tourte rund um die Welt, mal mit Band, mal mit Orchester, mal alleine als DJ. Und fand immer wieder die Zeit neue Platten aufzunehmen, so auch dieses Jahr, wo er uns mit „In A Space Outta Sound“ einmal mehr die Leichtigkeit des Seins demonstriert.
Zwar lebt und arbeitet er nach wie vor in Leeds, doch mit der harten Working Class hat seine Musik nur insofern zu tun, als dass sie für die Arbeiter nach Feierabend zur Entspannung dienen könnte.„Alles fing 1990 an. Ich hing mit den Jungs rum, wir hörten Hip Hop und tauschten Tapes und all das. Und dann kam das große KLF Chill Out Album und ich war fasziniert, so dass ich zu den Kumpels sagte: ‚So, ich mache jetzt ein Hip Hop Chill Out Album und nenne es Smoker’s Delight.’ Und ein paar Jahre später war es fertig. Es war ein organischer Vorgang, alles passte zusammen.“
Wie funktioniert das? Welcher Prozess führt zu dem „Space Outta Sound“?
„Ich gehe einfach ins Studio und lasse die Dinge passieren. Das dauert so ungefähr eineinhalb Jahre. Es gibt keinen Masterplan und das ist für mich die ehrliche Herangehensweise an Musik. Keine Strukturen, kein Masterplan. Daher auch der Name des neuen Albums. Man muss einfach diesen Zustand erreichen, damit solche Sounds entstehen können.“
Böse Zungen könnten seine Musik nun als beliebig oder auch als Zufallsprodukt bezeichnen, aber da widerspricht der Godfather of Downbeat.
„Ich muss hier zuhause, wo mein Studio ist, so arbeiten. Erst nach diesem Prozess weiß ich, welche Gastmusiker ich brauche. Dann rufe ich einen Gitarristen oder Keyboarder an und bitte sie, ihren Part einzuspielen. Aber manchmal arbeite ich nur an den Beats und dann kann ich niemanden brauchen. Es sind nie mehr als drei Musiker im Studio, OK, außer wenn die Bläser kommen.“
Und dieser Sound ging um die Welt und man hört ihn beinahe überall. Nightmares On Wax ist allgegenwärtig. Fussballergebnisse im TV werden davon begleitet, Wetterkarten, Reportagen, Werbung. Wie fühlt man sich, wenn die eigene Musik von allen und jedem in Beschlag genommen wird?
„Ich finde das großartig. Wenn ich alleine im Studio hocke, verschwende ich keinen Gedanken daran, für wen die Musik eigentlich ist, die ich mache. Und dann stelle ich auch hier in England fest, dass diese Musik anscheinend für jeden gemacht ist. Sie gehört nicht in eine bestimmte Szene, zu gewissen Leuten oder zu gewissen Plätzen. Nein, meine Musik wird von jedem gehört und je mehr Leute sie hören, umso besser.“
Keine schlechte Art, sein Geld zu verdienen. Stressfrei, automatisch – the money just keeps rolling in. Wenn wir schon von Stress reden, welche Musik hört George selbst, wenn er entspannen will oder muss?
„Zuallererst einmal bezeichne ich mich als Musik-Fan. Ich bin einfach ein Fan! Und meine Plattensammlung ist so umfangreich, dass ich mir je nach Stimmung aussuchen kann, was ich gerade hören möchte. Sei es Jazz, Reggae oder Hip Hop. Im Moment höre ich viel Miles Davis. Ich höre alle Arten von Musik, einfach alles.“
Da stellt sich natürlich die Frage, wie er seine eigene Musik, die ja nun das Ergebnis des stillen Kämmerleins ist, auf die Bühne bringen will. Ist er der einsame Mann hinter dem Laptop, der Beats und Loops für’s tanzende Volk von der Festplatte lädt? Wie erschafft man den „Space Outta Sound“ auf der Bühne?
„Ich habe bisher alle Arten von Shows probiert. Als DJ, mit einer Band und sogar mit einem 22-Mann-Orchester. Aber diesmal habe ich etwas anderes vor. Die Irration Steppers sind alte Freunde von mir und ich werde ihr Soundsystem benutzen, um meine Musik auf die Bühne zu bringen. Natürlich mit all den Beats, denn es ist Nightmares On Wax, aber dazu gibt es Sänger und MCs und die Steppers. Das wird eine coole Sache. Als ich damals die Shows mit dem Orchester gemacht habe, ging es mehr um ein Statement. Um den Leuten zu zeigen: Hey, ich bin kein dummer DJ, der nur Knöpfe drückt, ich bin Musiker. Aber das ist jetzt nicht mehr nötig.“
Und sonst, George? Wie ist das Leben in Leeds?
„Hey, ich werde hier weggehen, ich werde aus dem Betondschungel ins Paradies gehen. Nach, Spanien. Ibiza. Besser für mich und meine Familie.“
Und wahrscheinlich besser für deine Musik, über die mal in der Times stand, dass du einer der wenigen Menschen bist, der Sonnenschein in eine Flasche füllen kann.
„Haargenau! Diese neue Umgebung wird es sein, die mich dann inspiriert. Genau darum geht es.“
Wir wünschen eine gute Reise.
Aktuelles Album: In A Space Outta Sound (Warp / RTD)