„Das ist sehr schmeichelhaft, dass du das sagst, aber ich fürchte, mit der Meinung stehst du eher alleine da“, entgegnete Schlagzeuger Jason Boesel letzten Dezember lachend auf unsere Äußerung, dass Rilo Kiley ja nun wirklich eine bessere Band seien als Bright Eyes. Nach der gemeinsamen Deutschland-Tournee im Frühjahr, die für Conor Oberst und die Seinen zu einem mittleren Desaster wurde, für den Supportact aus Los Angeles dagegen einem wahren Triumphzug glich, gibt es eine ganze Reihe Menschen, die ähnlich denken.
Während Rilo Kiley - neben Jason noch Frontfrau Jenny Lewis, Gitarrist/Sänger Blake Sennett und Bassist Pierre de Reeder - hierzulande vor allem wegen ihres wunderschönen aktuellen Werkes “More Adventurous” wahrgenommen wird, haben sie in den USA, wo sie bereits die großen Säle füllen, das Problem, dass viele ihrer Anhänger nicht loslassen können. „Ich weiß, einige von euch wollen unbedingt 'The Frug' oder 'Glendora' hören, aber wir werden diese Songs nicht spielen“, stellte Jenny von der Bühne aus klar, als WESTZEIT die Band vor wenigen Wochen in Boston wiedertraf. Auch eine Wiederveröffentlichung der Frühwerke, die inzwischen bei Ebay und Co. weit über 100 Dollar erzielen, steht derzeit nicht zur Debatte. Vor allem deshalb, weil die alten Songs eben „nur“ in die Kategorie Indierock fallen, Rilo Kiley aber mehr sein wollen, ja schon jetzt viel mehr sind und neben klassichen Indie-Schmuckstücken auch radiotaugliche Pop-Hymnen sowie genetisch modifizierte Country-Songs beherrschen und vor an alte Shownummern erinnernden Schmachtfetzen keine Angst haben.Die Anhänger in der amerikanischen Heimat sehen derweil die unlängst erfolgte Vertragsunterzeichnung mit der großen, “bösen” Company Warner Bros. als erstes Zeichen der nahenden Apokalypse und bezichtigen Rilo Kiley des Ausverkaufs – dabei schienen doch die Grenzen zwischen Major- und Indie-Welt seit Mitte der 90er zusehends zu verwischen, nachdem Beck oder Elliott Smith bewiesen hatten, dass gute Alben nichts mit der Größe der Plattenfirma zu tun haben. “Ich denke, dass sich das Wort 'Indie-Band' eher auf den Sound bezieht als darauf, wo die Platte erscheint”, bestätigt auch Jason. “Man kann zum Beispiel Modest Mouse einfach nur als Indierock-Band bezeichnen - und ganz bestimmt nicht als Modern-Rock-Band oder so etwas.” Dabei ist der Schritt in Richtung des großen Geldes für Rilo Kiley durchaus folgerichtig. Das Quartett will auch in Zukunft den Titel des aktuellen Albums umsetzen und „more adventurous“ zu Werke gehen. Dass die ersten brandneuen Songs wie “I Love L.A.” oder “Pull Me In Tighter”, die schon jetzt im Liveset sind, zu den besten der Band überhaupt gehören, lässt Großes erwarten. “Früher haben wir Songs immer gemeinsam geschrieben, aber in dem Maße, in dem unsere Freundschaft wuchs, fingen wir auch an, Songs alleine zu verfassen”, sagt Jenny über die Arbeitsteilung in der Band. “Bei den Stücken, die ich alleine schreibe, entwickele ich einen größeren Beschützerinstinkt und bin in der Regel weniger offen für Ideen der anderen. Bei den Songs, für die Blake die Musik und ich die Texte schreibe, ist das etwas anders."
Beim Konzert in Boston bewiesen Rilo Kiley zudem, dass ihnen ihre Fans trotz der Abkehr vom DIY-Ethos keinesfalls gleichgültig sind. Vor der Zugabe kam Blake mit einem riesigen Früchtekorb aus dem Backstagebereich auf die Bühne und verteilte den für die Band alleine viel zu reichhaltigen Inhalt mit den Worten „Esst mehr Obst!“ ans Publikum. Ob Rilo Kiley auch bei den Mitte Juli anstehenden fünf Club-Konzerten in Deutschland und Österreich für die Vitaminzufuhr ihrer Fans sorgen werden, bleibt abzuwarten, große Konzertabende dagegen sind fest versprochen!
Weitere Infos: www.rilokiley.com Foto: WEA