Wenn vor wenigen Jahren jemand behauptet hätte, Daryl Palumbo wäre der Disco-King, man hätte denjenigen sicher mit Hohn, Spott, etc. belegt. Wenn jemand zur selben Zeit behauptet hätte, Dan Nakamura könnte nicht fettesten Rock produzieren, man hätte ihm vielleicht Recht gegeben. Heute ist (zum Glück) alles anders. Der Glassjaw-Frontmann ist wieder gesundheitlich auf der Höhe und seine Kollaboration mit Beat-Ass Dan The Automator schockt, rockt und sprengt sämtliche Grenzen. Expect the unexpected.
„Wir sind eine Punkrock-Band.“, sagt Daryl ganz zu Anfang unseres Interviews, als wolle er damit gleich einer Menge lästiger Fragen aus dem Weg gehen. Dennoch holt er auf die Frage, was denn die ursprüngliche Idee dieser Band war, gerne etwas weiter aus. „Ich hatte eine Menge Rock- und Punkrock-Songs im Kopf, die ich niemals mit Glassjaw hätte machen können und ausserdem wollte ich ein gewisses elektronisches Element darin unterbringen, weil ich zu dieser Zeit viel Dance-Musik hörte. Also habe ich mir die Zeit dafür genommen und das alles einmal ausgearbeitet. And here it is.“ Naja, seien wir ehrlich - ganz so einfach wird das ganze wohl nicht gewesen sein und auch seine Bandkollegen von Glassjaw werden ihm das vielleicht zum Teil übel genommen haben, aber das sollte hier nicht das Thema sein. Und dazu äußerte sich Daryl auch nur eher am Rande. „Ich habe zwei Bands, und gerade macht Head Automatica, mit denen ich jetzt seit fast einem Jahr toure, einen großen Teil meines Lebens aus.“ Nun denn, lassen wir das so stehen und beleuchten die Tanzmaus in Mr. Palumbo etwas näher. Auch bei Glassjaw war der Sänger mitunter als Zappelphilipp bekannt, woher kam aber der Mixturwunsch - der natürlich so wild wie möglich sein musste - von Rock- und Discomusik? „Uns war von Anfang an klar, dass diese Platte dich vor allem physikalisch bewegen sollte, bevor sie es emotional tut. Es sollte tanzbar sein und es sollte rocken. Ich glaube, genau das haben wir geschafft.“ Wir - das sind neben ihm als Songwriter und Sänger und Producer Dan noch weitere Mitstreiter, die vorher schon bei Bands wie American Nightmare und auch Glassjaw aktiv waren. Und Daryl weiss genau, dass ohne diese Mannschaft das ganze Unternehmen niemals so funktioniert hätte. Denn hört man sich das Album unwissentlich an, möchte man mitunter meinen, Elvis Costello und Mike Patton hätten ihre Finger im Spiel gehabt - haben sie aber nicht. So schön die Idee auch ist - Daryl hat es auch ohne die beiden (beispielsweise als Co-Writer) hervorragend hinbekommen. Vor allem der Sound ist überwältigend, alles klingt fast schon unnatürlich dick, breit, groß, wahnsinnig. Wie auch immer es so weit gekommen ist - anders würde die Platte wohl nicht so gut funktionieren. „Auf der Platte ist alles drauf, was ich haben wollte und das Endergebnis kommt meinem Ideal ziemlich nahe. Sicherlich hätte ich im Nachhinein ein paar Änderungswünsche, aber das Teil geht so wie es ist voll in Ordnung. Und auf gewisse Art und Weise ist das Album auch perfekt.“ Vielleicht auch ein Verdienst der hervorragenden Mixes, für die man niemand geringeres als Howard Benson und Dave Sardy gewinnen konnte. Wie dem auch sei, dem Albumtitel wird die Scheibe von vorne bis hinten gerecht. Sie klingt zumindest dekadent. Ein Thema sollte dies allerdings nicht sein. „Ich bin eher so eine Art Geschichtenerzähler.“, verrät Daryl. „So viel hat das alles nicht zu bedeuten.“ Und natürlich hat er den großartigen Schauspieler William H. Macy (unvergleichlich als Jerry Lundegaard in „Fargo“) nicht erschossen, wie man am Ende des Albums vermuten könnte. Und natürlich schlägt das Herz schneller wenn man tanzt. Und genauso natürlich darf er den Disco-Hades besingen und die Beats so dick haben, wie er nur will. Und wären auf dieser Platte noch große Chöre, sie wären dort zurecht. Und wenn David Bowie immer noch den Kopf des Disco-Königs haben möchte, sollten sie gut auf sich aufpassen, Mr. Palumbo!Aktuelles Album: Decadence (Warner)