Das Duo Jovanka von Wilsdorf und Niels Lorenz war Miterfinder der inzwischen wieder verschwundenen Berliner Wohnzimmerszene, erforschte dann die Tiefen der rechnergestützten Klangsynthese und lieferte als letztes bei Home/Sony mit "Trigger Me Happy" ein Album ab, das zwar sehr opulent, für manche aber etwas zu kalorienreich war. Umso gespannter war (nicht nur) ich, als neue Quarkstöne erklangen. Jovanka erklärte im Interview den Weg nach und durch "Quarksland".
Das neue Album kommt mir gerader vor. TMH war ja sehr fett, verursachte bei manchen etwas Sodbrennen. "Quarksland" erscheint mir da mehr "low fat", drahtig, nach vorne gehend.Mir war bei dieser Platte wahnsinnig wichtig, dass ein gefühlter Roter Faden durchgeht. Wenn du eine Platte mal siehst wie eine Kette, dann hängt bei "TMH" ein Rubin neben einer Holzkugel neben einem Plastikdingsbums, das führte raus aus dem eigentlichen Quarksweg. Dieses Mal wollte ich, dass die Kette sehr schön wird, dass sie zusammenpasst. Gerader finde ich's gar nicht: Die Ästhetik ist durchgängiger, die Platte ist durchlässiger. Auch deswegen, weil wir's im ersten Augenblick des Musizierens aufgenommen haben, dadurch war eine Grundästhetik festgelegt. Es ging mir darum, diesen Moment und die Songs zu schützen. Und dann herum zu bauen, das wird manchmal auch sehr laut.
Gab es denn von seiten des Labels Druck?
Druck? Um Himmels willen. Wenn du die Platte ansiehst, dann sieht die eigentlich ja weniger kommerziell aus. Ich habe mir auch bei der letzten Platte nicht 'reinreden lassen, da war ich am Schluß nur zu schwach, ein Cover zu gestalten. Oder auch nur mit zu gestalten. Dieses Mal greift auch hier alles ineinander. Mir war klar, dass ich nicht wieder in den Rechnerkäfig will, dass es um's Musizieren geht. Ich wollte DIESEN Moment aufnehmen. Da habe ich Moses Schneider getroffen und seinen Kompagnon Ben Lauber - die beiden sind ein fantastisches Team. Mir war wichtig, dass alles zueinander passt, das ganze Team. Auch die Booking-Agentur - ich möchte dieses Mal in coolen Clubs spielen. Dass die Clubs so aussehen - im weitesten Sinne - wie die Platte klingt.
Moses und Ben zeichnen als Transporterraum auch als Produzenten. Das Produzieren haben die Quarks ja früher nicht aus der Hand gegeben.
Es war auch dieses Mal natürlich eine Co-Produktion. Ich habe Moses meine Vision beschrieben, wir haben ihm die Stücke bei mir zu Hause auf Gitarre und Bass vorgespielt. Ich wollte sehr viel von Live-Aufnahmen ausgehen und dann die Elektronik drumherum bauen. Alle Grundspuren sind eigentlich hier bei mir im Wohn- und Schlafzimmer entstanden.
Es gab vocal-treatment...
Peter Schmidt. Ja, der hatte TMH gemischt. Er kennt meine Stimme sehr gut und ist mit dem ganzen Handwerk extrem vertraut. Es war mir wichtig, wo in der ganzen Klangarchitektur die Stimme liegt. Dazu haben wir Peter drei Tage eingeladen und das war ein wirkliches Fest! Dieser Blick von außen kurz vor Schluß war sehr wichtig.
Quarksplatten werden schließlich sehr von deiner Stimme geprägt.
Von meiner Stimme und den Texten. Es gibt Worte, Geschichten, die ich erzählen und singen möchte - irgendwann habe ich das Lied in einer rohen Form und muss nur die Akkorde finden, die das Lied verlangt. Sounds entstehen viel unterwegs.
Als wir über die Tourbesetzung reden, gibt es eine Überraschung:
Niels ist nach drei Monaten Aufnahmen ausgestiegen. Er hat gesagt: Das ist nicht meine Platte, das sind deine Ideen, das ist deine Platte. Was aber auch was Positives hatte: Denn wir mussten beide dieses "Wir" überprüfen, was bis dahin immer eine Wahrheit war. Und es kommt was neues. Und das Neue wird ganz anders...
Dann muss ich ja jetzt fragen, ob es weitere Quarks-Platten überhaupt geben wird?
Das konnte ich dir nach keiner Platte sicher sagen! Ich mache mir da aber gar keine Sorgen, denn wenn Quarks sein soll, ist es nicht, was ich tue oder mir ausdenke, sondern eine Dringlichkeit.
Ein Tip zum Schluß: Harry Rag hat das Entstehen von "Quarksland" fürs TV dokumentiert - läuft demnächst im RBB.
Weitere Infos: www.quarksland.de