Als im Sommer 2010 die Gerüchte wahr und die Zusammenarbeit von Gudrun Gut und Antye Greie mit der CD "Baustelle" Realität wurde(n), war nicht nur bei mir die Freude groß. Ende August dieses Jahres erschien nun "ReKonstruktion", eine CD mit 15 Remixen, über die WESTZEIT mit den beiden Musikerinnen gern Aug' in Aug' gesprochen hätte. Da zwischen Berlin und der finnischen Insel Hailuoto (wo AGF lebt) jedoch schlappe 2000 Straßen-km liegen, wichen wir zähneknirschend auf das für ein wirkliches Gespräch recht ungeeignete Medium E-Mail aus, was dem Ganzen aber auch einen sympathisch unfertigen, offenen Aspekt verleiht.
Für die Vergesslichen etwas Historie: Gudrun Gut hat die (West-)Berliner Ausformungen von Postpunk/Wave und Techno/Ambient wesentlich geprägt. Ob mit den radikal-chicen Malaria (da hatte sie die Stationen DIN A Testbild, Mania D. und Einstürzende Neubauten schon hinter sich!), den dunkel-schönen Matador (deren 89er LP "Sun" besonders zu empfehlen ist), als Konzept- und Gastgeberin des wegweisenden "Oceanclubs" oder als Labelchefin (Monika Enterprise: Heimat für uva. Quarks, Komeit, Barbara Morgenstern und Contriva). Antye Greie ist knapp 10 Jahre jünger, in Halle/S. aufgewachsen und zunächst mit dem wunderbaren GlitchPop ihrer Band Laub, dann solistisch als AGF mit kunstvoll-vertrackter ElectroPoesie und durch spannende Kollaborationen (u.a. mit Vladislav Delay (mit dem sie inzwischen auch verheiratet ist), Craig Armstrong oder Zavoloka) bekannt geworden.Der Ausgangspunkt für "Baustelle" war eine Einladung der BBC an AGF, unter Hinzuziehung eines frei zu wählenden Partners Sessions für Verity Sharps "Late Junction" einzuspielen. AGF fragt GG, die sie über die Quarks/Monika und von einem Festival in Moskau, auf dem die beide (solo) spielten, kennt und die sagt gern "Ja!". Auf die Frage nach dem, was die beiden über (zu) naheliegende Dinge wie "weiblich", "elektronische Musik machen" und "wegweisend/Avantgarde sein" hinaus (ver)eint, kommen stakkatoartige Anstriche:
A+GG: - "hands on" methode / - Sprechstimme in elektronischer Musik / - Computer und Mikrofon als Instrument / - Berlin Indie / - Frauen in elektronischer Musik zu fördern / - Musik ist Politik / - solo international unterwegs als Frau
Auf die gleiche Frage zu Gegensätzlichkeiten (neben "Ost/West", "Deutsch-/Finnland" und "Alter/Generation") hämmert es wieder präzis-diffus:
A+GG: - Sehr oft verschiedener Musikgeschmack / - Ja: Ost/West / - Milch und Bitterschokolade / - Vegetarier und Fleischesser
Woher stammt das Konzept, die Grundidee zum Themenfeld "Bauen"?
A: Zuerst war da ein persönlicher Bezug, weil wir beide gebaut haben zum Zeitpunkt unserer Kollaboration. Das Palais Schaumburg-Cover führt zum Grundthema und zum Entschluss, dieses Thema musikalisch zu beleuchten.
Wie lange habt ihr an "Baustelle" gearbeitet?
GG: Das war so ungefähr ein Jahr, aber mit Unterbrechungen. Im Sommer 2008 hab ich in Helsinki gespielt und bin dann zu Antye nach Hailuoto und dort haben wir zusammen viele vocals aufgenommen und tracks angefangen. Und dann wieder getrennt weitergearbeitet. Das war eine grosse file-Schieberei. Danach haben wir das live-Programm erarbeitet und Gigs gespielt.
Zumindest über die Berlin-Premiere Ende Oktober 2010 in der Volksbühne schweigen wir hier besser, denn da ging klang-, spiel- und showtechnisch einiges schief. Egal: war die Erstellung von Remixen schon im Ausgangskonzept angelegt oder habt ihr das erst im Arbeitsprozess erwogen?
A: Wir sind nicht so ausgekocht. - GG: Nein, hinterher überlegt!
Wie steht ihr "popphilosophisch" zu Remixen - sind es bedeutungstragende Weiterentwicklungen, überraschende Neudeutungen, Marketingwerkzeuge oder auch Einladungen an gute Freunde? Ist das abgeben der Klangdaten ein schmerzhafter oder freudvoller Vorgang?
A: Es ist alles was du fragst. Freude am Material und an Kollegen, die den Klang drehen. In unserer Samplekultur ist es normal, Soundquellen zu teilen.
GG: Ich finde es immer interessant, was ein anderer mit meinem Material macht. Manchmal tuts tatsächlich weh. Diesmal war es auch toll, dass wir beide nochmal solo gemixt haben.
Wie habt ihr die Remixer ausgewählt, hat auch jemand nicht mitgespielt?
A: Ich wollte Mika (Vainio - Pan Sonic) und die Frauenliste/ female pressure.
GG: Ich glaube, Ellen Allien hatte dann doch keine Zeit, sonst sind alle Wünsche erfüllt. Ich wollte auch nicht immer die gleichen Remixer fragen. Während der oceanclub-Radioshow hab ich immer mal wieder gehört, welche Clubsachen mir gefallen und wo ein persönlicher Bezug da ist. Und so kamen wir zu dem Resultat.
Was sind den eure persönlichen Favoriten?
A: Mein Fav ist Mika Vainios Mix und ich mag sehr die von alva noto und Wolfgang Voigt.
GG: Ach das ist schwierig und je nach Laune! Ich mag es insgesamt.
Wir auch.
Aktuelles Album:reKonstruktion (Monika Enterprises / Indigo)