Wenn es derzeit in Deutschland eine Band gibt, die scheinbar nichts falsch machen kann, dann sind das Judith Holofernes, Jean-Michel Tourette, Pola Roy und Mark Tavassol alias Wir Sind Helden. Das Bemerkenswerte an ihrem kometenhaften Aufstieg ist allerdings, dass sie es ohne den sonst unvermeidlichen Plattenfirmen-Hype zur vermutlich derzeit angesagtesten Band Deutschlands geschafft haben. In Berlin wurden zum Beispiel unlängst beim Helden-Konzert vierstellige (!) Besucherzahlen gemeldet, und das, obwohl das Debütalbum der vier, "Die Reklamation", erst in der zweiten Juliwoche veröffentlicht wird!
"Der größte Unterschied zum letzten Jahr ist im Moment, dass in den für uns entlegensten Winkeln plötzlich total viele Leute zu den Konzerten kommen und Lieder mitsingen, die es noch gar nicht auf Platte gibt", bestätigt Judith beim Gespräch mit der Westzeit am Rande des heldenhaften Konzerts in Krefeld. "Wir können es manchmal gar nicht glauben, dass zum Beispiel in einer Stadt wie Köln, wo wir als Band noch nie waren, das Konzert ausverkauft war! Das ist noch schöner als beispielsweise der Erfolg bei MTV." Dort lief letztes Jahr das Video zur selbstveröffentlichten "Guten Tag"-EP rauf und runter - und das, obwohl die Band zuvor stets zu hören bekommen hatte, dass es schade um das Porto wäre, da der Sender ein Low-Budget-Video ohne Plattenfirmenunterstützung eh nicht senden würde. "Das Video zum ersten Mal auf MTV zu sehen, war natürlich ein Hammer! Vor allem, weil uns eben vorher alle gesagt hatten, dass das nicht passieren würde", erinnert sich Judith. "Irgendwann saßen wir in einem Hotelzimmer in Graz und schalteten das Fernsehen ein, um zu sehen, ob sie es mal zeigen. Es lief gerade eine Sendung über Ashanti, und kaum war die vorbei, da kamen wir!" - "Wir saßen also vor unserem Video und unterhielten uns als erstes darüber, ob das MTV Österreich wäre, weil Mirjam [Weichselbraun] die Sendung moderierte", ergänzt Mark und fügt lachend hinzu: "Allerdings wusste niemand, ob es MTV Österreich wirklich gibt!"Alles eitel Sonnenschein bei den vieren also, die sich höchstens manchmal etwas darüber ärgern, als typische "Berliner Band" abgetan zu werden - dabei wohnen die Bandmitglieder nur zeitweise bzw. noch nicht sehr lange in der Hauptstadt. Mit "Die Reklamation" können sie nun beweisen, dass sie musikalisch weit mehr drauf haben, als zeitgeistig produzierte Slogans à la "Guten Tag" in die Welt zu setzen. "Das Stück ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass wir so oft auf die 80er angesprochen werden", ist sich Mark sicher. "Die Frage ist ja nicht ungerechtfertigt, aber wir sehen uns nicht so sehr in den 80ern verwurzelt, wie es das Stück vielleicht vermuten lässt." Was inzwischen die aktuelle Single "Müssen Nur Wollen" und großartige Stücke wie "Denkmal" oder "Du Erkennst Mich Nicht Wieder" auf dem Album beweisen. Und auch wenn sich die Helden bisher vor allem als Liveband profilieren konnten, haben sie die Aufnahmen ihrer LP doch richtig genossen. "Wir sind totale Studiojunkies. Es macht auch unheimlich Spaß, den anderen überall reinreden zu können. Das geht ja live leider nicht", meint Jean-Michel grinsend. Oder, wie Judith es ausdrückt: "Wir sind die schlimmsten Demokraten der Welt."Weitere Infos: www.wirsindhelden.com Foto: Labels