Dawes sind bereit für das nächste Abenteuer. Auf ´Adventures Of Doomscroller´, seinem Ende Juli erscheinenden achten Studioalbum, kostet das kalifornische Quartett mehr denn je alle künstlerischen Freiheiten aus, oder wie Frontmann Taylor Goldsmith es ausdrückt: „Wir waren schon immer stolz darauf, Minimalisten zu sein. Mit dieser Platte haben wir uns vorgenommen, Maximalisten zu sein.“ Das Resultat ist ein Blick über den Tellerrand des Westcoast-geprägten Pop- und Rock-Sounds früherer Dawes-Platten, mit dem die Band alte Tugenden mit bisweilen jazzig anmutender Freigeistigkeit mutig und aufregend in neue Richtungen bugsiert.
Eigentlich sollte man meinen, Dawes seien fein raus. Doch selbst nach mehr als zehn Jahren Bandgeschichte, über einem halben Dutzend allenthalben viel gelobten Platten und prestigeträchtigen Auftritten als Begleitband von Legenden wie Robbie Robertson, Jackson Browne oder Conor Oberst verspürte Taylor Goldsmith immer noch ein quälendes Gefühl der Ungewissheit.„Es ist egal, ob du im Madison Square Garden auftrittst oder zehn Millionen Dollar verdient hast. Auf die ein oder andere Art und Weise fürchten wir alle, dass wir das verlieren, was wir haben“, gestand er uns im November 2019 am Rande der letzten Dawes-Tournee hierzulande, doch schon wenige Wochen später, kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, startete er einen ungewöhnlichen Versuch, seine innere Unruhe zu zügeln. Ohne zuvor ernst zu nehmende Drogenerfahrungen gesammelt zu haben, versuchte er, mithilfe einer – wie er es ausdrückt – „heldenhaften” Menge unter ärztlicher Aufsicht eingenommener psychedelischer Substanzen seine Ängste in den Griff zu bekommen.
„So klischeehaft das klingt: Das Ganze war tatsächlich richtig bewusstseinserweiternd und hat mir die Augen geöffnet“, erinnert sich Goldsmith zwei Jahre später im Videochat mit der Westzeit. „Die größte Erkenntnis daraus war, dass ich meine Ängste überwinden muss, weil sonst meine Kreativität in falsche Bahnen gelenkt wird."
Lange erlaubte Goldsmith seiner Vorstellungskraft, sich in sorgenvollen Szenarien auszutoben, anstatt die Energie auf das Schreiben von Melodien und Texten zu verwenden.
„Heute lasse ich meine Ängste nicht mehr die Oberhand gewinnen, lasse mich nicht mehr von Gedanken an den imaginären Fünfjahresplan leiten, von dem ich noch nicht einmal weiß, ob er echt ist. All das war sehr präsent, während wir die neue Platte gemacht haben, und ich denke, solch ein Album wäre nicht möglich gewesen, wenn wir uns von einer willkürlichen Definition von Erfolg hätten leiten lassen."
Ohne die alten Helden des Americana und Classic Rock, die Goldsmith und seinen Mitstreitern stets den Weg gewiesen hatten, aus den Augen zu verlieren, ließ sich der Bandleader dieses Mal eher durch die vorurteilsfreien Ideen von Künstlern wie Frank Zappa oder Grateful Dead inspirieren.
„Ich liebe gute Songs, die Geschichten erzählen, in denen ich mich wiederfinden kann, aber da gibt es noch mehr“, verrät Goldsmith. „Frank Zappas alberne Texte interessieren mich nicht sonderlich, sie helfen mir nicht dabei, mein Leben zu verstehen, aber was mich daran anzieht, ist das Gefühl von vollkommener Freiheit. Künstler wie Zappa oder Grateful Dead haben sich die Freiheit erlaubt, zu sein, wer oder was auch immer sie sein wollten."
So ungezwungen sich Dawes mit der bewährten Unterstützung ihres langjährigen Produzenten und Vertrauten Jonathan Wilson der Arbeit an der neuen LP auch genähert haben und den bisweilen zehnminütigen Songs zum Trotz, die einen krassen Kontrast zum Popsong-Format früherer Platten bilden: Im Kern ist auch das neue Album sofort als Dawes-Werk zu erkennen. Doch nicht nur klanglich suchten und fanden Dawes neue Herausforderungen. Die pure Freude am Kreativsein, am Experimentieren und Entdecken, die den besonderen Reiz von ´Misadventures Of Doomscroller´ ausmacht, hat sich auch auf die Texte niedergeschlagen. Früher ein Verfechter klassischer Singer/Songwriter-Werte, die oft mit betonter Ernsthaftigkeit und Traurigkeit einhergingen, hat Goldsmith inzwischen auch beim Texten andere Ziele.
„Heute suche ich nach Künstlern, die mich zum Lachen bringen können oder ein vollständigeres Bild dessen vermitteln, was vor sich geht“, sagt er. „Das ist der Grund, warum ich schreibe, was ich schreibe, aber auch, warum ich weiterhin Künstler wie Loudon Wainwright hören will. Da steckt eine Menge Spaß drin, so wie bei John Lennon in den späten 60ern. Bei Songs wie ´Lucy In The Sky With Diamonds´ oder ´I Am The Walrus´ scheint es, als spiele er einfach mit Worten. Es geht darum, Gefühle auszulösen, die über das geschriebene Wort hinausgehen."
Aktuelles Album: Misadventures Of Doomscroller (Rounder / Universal) VÖ 22.07.
Weitere Infos: dawestheband.com Foto: Ward + Kweskin