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THE VIOLENT YEARS

Neuer Versuch

THE VIOLENT YEARS

Gedankenspiel: Man arbeitet über Wochen, Monate, wenn nicht gar Jahre an einem Album. Man schreibt Songs, perfektioniert sie, investiert Schweiß, Blut und Tränen. Die Veröffentlichung ist beinahe schon in Sicht – und dann werden die Dateien geklaut. Sicherlich kennt jeder das Gefühl, wenn man vergisst seinen Spielstand zu speichern und die Konsole abstürzt.

Oder wenn man über Stunden an einer wichtigen Arbeit geschrieben hat und plötzlich vom Laptopakku im Stich gelassen wird – nur dass es im ersten Fall um einiges ärgerlicher ist. Dennoch schwierig vorzustellen? Nun, The Violent Years können im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied davon singen.

Nachdem die norwegische Band im November 2012 ihr Debütalbum ´Trying to Get Over´ veröffentlichte, sollte der nächste Longplayer eigentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen. Eigentlich. Tatsache ist jedoch, dass es sage und schreibe sechs Jahre dauerte, bis vergangenes Jahr ´´I Blame You and You Blame Me´ erschien – nur um innerhalb weniger Monate bereits das dritte Album in der Hinterhand zu haben: ´Via Antarctica´. Dieses schrieben die vier Herren aber eben nicht erst kürzlich, sondern bereits vor einiger Zeit. Es war einsatz- und vorführbereit, doch wurde bei einem Einbruch entwendet.

„‘Via Antarctica’ was in fact made before ‘Blame’ but we had a robbery where the files got stolen. Feeling destroyed by all the shit that followed we made the blame album. Then we rebuild the via album. It was a painful and hard thing to do because you have to find back to the emotions that made the songs in the first place. Luckily the drums and some other parts were on a backup-disc!”

Völlig frustriert machten sich Sänger und Songschreiber Kenneth Bringsdal, Keyboarder Kjetil Sjølingstad, Bassist Jack von der Hagen und Drummer Eivind Thorsvik also daran, ´Via Antarctica´ wiederherzustellen. Songs zu schreiben, die, würde es nach ihnen gehen, bereits in den Läden stünden. Inwieweit sie dies umsetzen konnten, wissen natürlich nur sie selbst – und die damaligen Einbrecher, die sie eventuell hörten – doch selbst dem Fall, dass sie es nicht vollständig vermochten, wurde der zweite Anlauf von ´Via Antarctica´ dynamisch, vielseitig und rund.

The Violent Years preschen förmlich voran. Schon Opener und Titeltrack ´Via Antarctica´ hat Drive, Energie, ganz viel Tiefe und das Wunderbare – gleichzeitig aber auch das Traurige – daran ist, dass Bringsdal dabei gar nicht groß beweisen muss, wie großartig er auch die ganz tiefen Töne meistert. Über längere Etappen lassen die Männer so auch einfach ihre Instrumente für sich sprechen – etwas repetitiv zwar, aber dabei gewiss nicht langweilig. ´Who Decided´ wirkt dagegen wie ein Traum: sanft und leicht, doch dabei immer noch energisch und weitaus poppiger als der Durchschnitt. ´Praise The Rain´ und ´New World Order´ nehmen später das gesamte Tempo raus – dunkel und schwer sorgen sie hier für insgesamt zehn Minuten für sehr viel Dramatik. Das nachfolgende ´Stone Among Stones´ wirkt gerade im Kontrast dazu mit seinen upbeat-Sounds und Akustikgitarre noch fröhlicher als ohnehin schon.

Irgendwo zwischen Alternative und Indie sind sie daheim. The Violent Years spielen eine Mischung aus Americana, Post-Punk, Pop, Rock und Avantgarde, lassen sich von etlichen Strömungen einfach treiben und landen schließlich irgendwo, was manche als „northern melancholy“ bezeichnen.

„Our music is Americana, 80s pop, post-punk and it’s all marinated in The Beatles chords and harmonies! We are very melodic and harsh at the same time. As a kid I was listening to Beatles a lot and fell in love with their creative use of sounds etc. The problem was I could not sing as high and clear as them so it was Cohen, Cave and Scott Walker that made me sing!”

Es sind jedoch nicht nur die hörbaren Einflüsse von Nick Cave & The Bad Seeds, The Beatles und vielleicht auch Bruce Springsteen, die ´Via Antarctica´ so interessant machen. Sobald man erstmal die Geschichte hinter dem Album kennt sie sich beim Hören bewusst wird, scheint es bemerkenswert, dass The Violent Years diese Dynamik und diese Emotionen gleich zweimal komponieren konnten. Um diese Songs wäre es sonst allerdings auch echt schade gewesen.

Aktuelles Album: Via Antarctica (Apollon Records)



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