´Dépaysé´ heißt das siebte Album von Ahmed Gallab's Projekt Sinkane – und dieses französische Wort wählte er, weil es in anderen Sprachen keine direkte Übersetzung dafür gibt, denn ´Dépaysé´ bedeutet sowohl Entwurzelung, wie auch Entfremdung – und zwar in dem Sinne, dass sich jemand aus seiner ursprünglichen, gewohnten Umgebung herausgerissen fühlt und sich in der neuen Umgebung nicht zurecht findet und fremd fühlt. Und genau dieser Zustand – dem ja in Zeiten von Migration und kultureller Identitätssuche viele Menschen ausgesetzt sind - ist das Thema, um das sich Ahmed hier Gedanken macht.
Warum ist das – Ahmed's Meinung nach – gerade heutzutage besonders aktuell?„Ich meine, das war immer schon alles irgendwo da – dieser ganze Hass und diese Spannungen“, erklärt Ahmed, „der Unterschied ist, dass wir heutzutage das Internet haben und sich diese Ideen und Philosophien auf eine sehr kraftvolle Art verbreiten können. Jedermann kann heute eine Website einrichten oder Instagramm, Twitter und facebook verwenden, um seine Ideen zu verbreiten. Dadurch werden viele schlimme Ideen verstärkt.“
In diesem Sinne sind Ahmed und Sinkane dabei einige sehr kraftvolle Agitprop-Songs gelungen, die Ahmed erstmals mit seiner Band live im Studio einspielte und dabei seinen Idolen – Sly Stone, Bob Marley, Paul McCartney oder George Clinton – auch auf musikalische Weise Tribut zollte. Warum. erklärt er so:
„Was mir wichtig ist, ist der Umstand, dass Sly Stone, Bob Marley oder auch George Clinton zwar sehr direkt auf das reagiert haben, was auf der politischen Ebene um sie herum vor ging. Aber sie machten auch deutlich, dass wir – ungeachtet der schrecklichen Dinge, die um uns herum passieren – dennoch Spaß haben können, dass wir unsere Zeit zusammen genießen können, dass wir uns nicht unterkriegen lassen und das in ihrer Musik auch zum Ausdruck brachten. Egal was auch passiert: Wir lassen uns den Mund nicht verbieten. Und das war die Inspiration für mich.“
Gleich die ersten beiden Tracks - ´Everybody´ und ´Eyeryone´ - sprechen dabei das Thema Entwurzelung recht deutlich an. Was aber ist der Unterschied zwischen den beiden Songs?
„Die beiden Songs ergänzen sich“, verrät Ahmed, „bei ´Everybody´ geht es um die Inklusion. Ich sage hier, dass wir alle irgendwie miteinander verbunden sind und dass wir unsere Unterschiede doch eigentlich feiern sollten. Offen zu sein ist für mich sehr, sehr wichtig. Und auf ´Everyone´ gehe ich einen Schritt weiter und überlege, wie wir das erreichen könnten. Was müsse wir tun, diese Problematik verstehen zu können? Und ich denke, die Antwort darauf ist Liebe und Empathie. Auch wenn jemand anders ist als Du, kannst Du dennoch von diesem etwas lernen.“
Kommen wir mal zu den Feinheiten: ´Everybody´ und ´Everyone´ sind doch nahezu bedeutungsgleich, oder?
„Ja, die beiden Worte schließen ziemlich viel ein, nicht wahr?“, erläutert Ahmed, „´Everybody´ ist eine andere Art ´universell´ zu sagen. Der Song hätte eigentlich heißen müssen: 'Jedermann meint auch Jedermann' und 'Everyone' ist auch so ein Wort, das jeder verstehen kann – beinhaltet dann aber auch jedermann, der gerade nicht anwesend ist.“
Was ist denn Ahmed's Anliegen im Allgemeinen?
„Mein Ziel ist es am Ende einzig, mit den Menschen in Verbindung zu treten“, erläutert er, „ich bin gerne mit Leuten zusammen, die mich mögen und zeige diesen dann auch gerne, dass sie nicht alleine sind. Niemand sollte sich verlassen fühlen (oder eben ´dépaysé´). Es gibt immer auch andere Leute, die sind wie Du, mit denen Du Dich austauschen kannst, sodass es eine Gemeinschaft gibt, an der Du teilhaben kannst. Musik bietet eine sehr gute Möglichkeit, den Leuten diese Idee zu vermitteln.“
Aktuelles Album: Dépaysé (City Slang / Rough Trade) VÖ: 31.05.
Foto: Tiffany Smith