Sie ist der hellste Stern der jungen Singer/Songwriter-Szene in Portland, Oregon: Haley Heynderickx vereint auf ihrem famosen Debüt ´I Need To Start A Garden´ bisweilen geradezu altersweise anmutende Ernsthaftigkeit mit jugendlicher Leichtigkeit und feingeistigem Humor und findet zwischen niedlicher Verschrobenheit und unbedingter Ehrlichkeit oft ganz eigene Mittel, um ihre klugen Beobachtungen des menschlichen Miteinanders zu transportieren.
Die Musik begleitet Haley Heynderickx inzwischen mehr als ihr halbes Leben. Mit elf Jahren fing die Tochter eines amerikanischen Vaters und einer philippinischen Mutter an, Gitarre zu spielen, später half ihr die Musik, ihr niedriges Selbstwertgefühl aufzumöbeln.„Die Musik war für mich eine willkommene Abwechslung“, erinnert sie sich beim Treffen mit der Westzeit. „Mir meine eigenen Lieder auszudenken, machte mich glücklich und zeigte mir, was es heißt, ein Individuum zu sein, anstatt nur der Popkultur hinterherzuhecheln.“
´I Need To Start A Garden´ unterstreicht, dass ihr Eigensinn inzwischen längst Früchte trägt. Denn auch wenn sie als fantasievoll-virtuose Gitarristin die Welt des traditionellen Fingerpicking-Folk im Sturm hätte erobern können, folgt sie – inspiriert von berühmten Grenzgängern wie Leo Kottke und John Fahey und mit Giganten wie Bob Dylan oder Townes Van Zandt im Hinterkopf – lieber ihrem Bauchgefühl und sucht sich mit unerschrockener Freigeistigkeit neue Wege abseits ausgetrampelter Genre-Pfade. Facettenreichtum ist dabei Trumpf. So ergänzt eine Posaune bei vielen Liedern das Standardinstrumentarium und verleiht den Songs eine ganz eigene Klangfarbe. Heynderickx selbst bezeichnet ihren Sound zwischen allen Stühlen augenzwinkernd als Doom-Folk, und gewissermaßen passend dazu stand auch ihr LP-Erstling anfangs unter keinem guten Stern.
„Die Entstehung der Platte glich unabsichtlich einer Art schlechter Sitcom“, verrät sie. „Ich habe drei Anläufe benötigt, drei Produzenten und praktisch auch drei verschiedene Bandbesetzungen. Zahllose Songs wurden verworfen, und am Ende wollte ich den Prozess einfach nur noch abschließen. Letztlich hatte ich das Glück, einen tollen Kontrabassisten, einen großartigen Posaunisten und einen ausgezeichneten Produzenten zu finden: ein neues Team, das zur rechten Zeit aufgetaucht ist.“
Jetzt erntet sie die Belohnung für ihre Mühen – und kann manchmal selbst nicht glauben, wie schnell alles geht.
Binnen weniger Tage spielte sie vor Kurzem ihr erstes, noch dazu restlos ausverkauftes Headline-Konzert in New York City, absolvierte eines der berühmten Tiny Desk Concerts für den Radiosender NPR und stieg dann in ein Flugzeug, um beim Roskilde-Festival in Dänemark auf der Bühne zu stehen, bevor sie im August in Holland zu Gast ist und im November und Dezember weitere Konzerte im deutschsprachigen Raum auf dem Programm stehen.
„Ich bin gleichzeitig geschockt und dankbar für das, was derzeit alles passiert“, gesteht sie mit einem Kopfschütteln. Gleichzeitig spürt sie aber auch den Druck, der mit dem sprunghaft gestiegenen Interesse unweigerlich einhergeht. „Ich kann jetzt nicht mehr so mysteriös sein, wie ich das gerne wäre“, sagt sie fast ein wenig zerknirscht.
„Auf einmal heißt es: Lass uns über deine Lieder sprechen, wie bist du auf dieses oder jenes gekommen? Mein Ego schreit dann: Nein, das will ich nicht!?”
Dennoch weiß sie natürlich um die Chance, die sich ihr gerade bietet, und freut sich auf die Möglichkeit, an den Herausforderungen zu wachsen.
„Ich lerne auf meine eigene, seltsame Art dazu, ich schreibe viel Tagebuch und lese viele Bücher über Jung´sche Psychotherapie“, verrät sie. „All das hilft mir bei der Gratwanderung, ein ehrliches Leben zu führen und mich trotzdem wohl dabei zu fühlen.“
Dennoch ist ihr aber auch die Freude am eigenen Tun sehr wichtig:
„Ich denke, man sollte Musik nicht zu ernst nehmen“, sagt sie lächelnd, „sonst geht der ganze Spaß flöten!“
Aktuelles Album: I Need To Start A Garden (Mama Bird Recordings / Alive)
Weitere Infos: www.haley-heynderickx.com Foto: Alessandra Leimer