Es gibt sie also immer noch, diese Art von Rock'n'Roll-Märchen, die man sich schöner kaum ausdenken könnte. Als die 13-jährige Jade Jackson aus Santa Margarita in Kalifornien vor 12 Jahren das erste Konzert besuchte, das sie von ihrem Taschengeld bezahlt hatte, stand da jener Mann auf der Bühne, der heutzutage ihr musikalischer Mentor und Partner geworden ist:
Mike Ness, der mit seiner Band Social Distortion beinahe schon zum Urgestein der amerikanischen Rock-Szene gehört. Davon wussten zwar damals weder er selbst noch Jade Jackson – aber diese sah sich (nicht zuletzt durch das Social Distortion Konzert) bemüßigt, sich selbst als Songwriterin zu versuchen und eines der vielen hundert Stücke, die sie seither zu Papier brachte, fand – Jahre später - wieder den Weg zu Mike Ness, der davon so beeindruckt war, dass er gleich anbot, ihr ein ganzes Album auf den Leib zu produzieren.„Als Mike mich zuerst kontaktierte, hatte ich noch gar keine Band, sondern spielte Solo-Konzerte“, erklärt Jade,“er hat mich unter seine Flügel genommen und all seine Erfahrungen im Musik-Business zur Verfügung gestellt – dafür bin ich ihm unglaublich dankbar. Denn er hat Auditions für eine Band für mich arrangiert und ein Studio organisiert, in dem wir dann das Album aufnehmen konnten. Er hat mir wirklich in jeder Beziehung geholfen – bei den Aufnahmen, der Produktion, dem Mastering und er hat sogar geholfen, das Cover zu gestalten. Er hat mir auch einen Plattenvertrag besorgt - indem er mich seinem Label, Epitaph, vorstellte. Ein paar Tage später meldete das Schwester-Label Anti Interesse an, mit mir zusammen zu arbeiten. Mike hat mich auch seinem Manager vorgestellt, der nun auch mich managt.“
Die Frage drängt sich auf, warum Mike Ness das wohl gemacht hat – und die Antwort auf diese Frage ist wohl ganz eindeutig in der Qualität der Songs zu suchen, die Jade da – mit einer bemerkenswerten Altersweisheit - offensichtlich nur so aus den Ärmeln schüttelt. Woher nimmt Jade denn die Inspirationen für die zeitlosen, melancholischen, klassischen Country-Balladen, die sie selbst zu bevorzugen scheint? Dem Vernehmen nach gab es ja in der Familie Jackson nicht ein Mal einen Fernseher.
„Oh – wir hatten nicht nur keinen Fernseher, sondern auch keinen Computer oder eine Mikrowelle oder sonst irgendwelche moderne Technologie“, erklärt sie beinahe enthusiastisch, „ich denke, dass meine Inspirationen einfach dadurch zustande kommen, dass ich Leute beobachte. Ich war als Kind immer schüchtern und ruhig. Ich habe aber immer wirklich zugehört und ich habe alles genau beobachtet – also die Leute und die Art, in der sie miteinander umgingen. Ich habe mich dann oft in deren Position hineinversetzt und dann aus deren Perspektive geschrieben. Oder was ich dachte, dass deren Perspektive sein könnte.“
Wenn man sich die autobiographisch gefärbten Songs dann anschaut, dann gewinnt man den Eindruck, dass Jade einen gefestigten Charakter hat und genau weiß, worum es geht. Ist dieser Eindruck richtig?
„Wow“, meint sie fast erschreckt, „nun – es ist jedenfalls mein Ziel einen gefestigten Charakter zu bekommen. Ich hoffe auch, dass ich einer bin. Aber ich weiß es eigentlich gar nicht so genau. Das ist aber auch eine verdammt schwierige Frage. Ich benutze das Lieder schreiben definitiv als eine Art Therapie für mich selbst. Aber nicht, um zu mir selbst zu finden. Es ist nur so, dass – als ich mit 13 anfing Songs zu schreiben – ich eine Menge Teenage-Angst hatte – wie das in diesem Alter nun mal üblich ist. Als meine Freunde zum Beispiel feiern gingen oder tranken und rauchten, habe ich mich in eine stille Ecke gesetzt, meine Gitarre genommen und angefangen, Songs zu schreiben, um mich besser zu fühlen. So habe ich begonnen, die Musik für mein Leben zu verwenden – und das ist eigentlich bis heute auch so geblieben.“
Jade Jackson ist eine Songwriterin, die Musik also erkennbar aus den richtigen Gründen macht – und vielleicht schafft sie es gerade deshalb, die Zuhörer auf besonders glaubwürdige Weise mit ihren Songs zu berühren. Zumindest bei Mike Ness war das jedenfalls so …
Aktuelles Album: Gilded (Anti / Epitaph)