Das muntere, kreative Ping-Pong-Spiel im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ideen anderer Künstler ist ja Bestandteil der musikalischen DNA von Calexico, doch auf dem aktuellen Album ´Edge Of The Sun´ gibt es nur ein Stück, das ohne musikalischen Gast auskommt. Das ist in diesem Maße dann doch neu. Was ist passiert?
Neue Facetten„Die Stücke waren weitgehend fertig, als wir über den jeweiligen Gesang nachdachten“, erinnert sich Sänger und Gitarrist Joey Burns, „unser Keyboarder Sergio Mendoza schlug vor, einfach verschiedene Sänger zu fragen, ob sie denn nicht Lust hätten, unseren Liedern ihre Stimme zu leihen. Alle, die wir fragten, sagten zu. So hatten wir für jedes Lied einen eigenen Sänger. Diese abschließende Arbeit mit ihnen hat unglaublichen Spaß gemacht und jedem der Stücke noch eine neue Facette hinzugefügt.“
Das sagt jemand, von dem bekannt ist, dass er und alle weiteren Bandmitglieder von Ideen geradezu nur so sprudeln. Da alle Calexico-Musiker das Reise-Gen geerbt haben, füllt sich dieser Ideenquell mit jeder Reise wieder randvoll auf. Zahllose Reisen bewahren bekanntlich auch einen freien Geist.
„Den setzen wir auch hemmungslos ein“, nimmt John Convertino den Faden auf, „es gibt nichts, wofür wir nicht ein offenes Ohr haben, was wir nicht ausprobieren. Darunter auch Sachen, die auf den ersten Blick komplett lächerlich erscheinen, dann aber ein Lied in ganz andere Qualitätssphären katapultieren können.“
Man kann an dieser Stelle nicht umhin, die Namen der Sanges-Mitstreiter einmal aufzuzählen. Nur so wird die kreative Bandbreite deutlich. Da wäre zunächst ein Musiker, der schon früherer mit Calexico arbeitete, nämlich Sam Beam, der momentan als Iron&Wine von sich reden macht. Weiterhin mit dabei sind Ben Bridwell von Band Of Horses, Nick Urata von Devotchka, die früher mal Dita von Teese als Burlesque-Show Band begleiteten, die mexikanische Indie-Pop-Sängerin Carla Morrison aus Guatemala, die spanische Sängerin und ehemalige Frontfrau der Mestizo-Band Amparanoia, Amparo Sanchez, die Singer-Songwriterin Neko Case. Aber nicht Sänerginnen und Sänger prägen als Gäste das Album ´Edge Of The Sun´, mit von der Partie sind auch die klassischen Musiker von Greek Instrumentalists oder der Pedal Steel-Gitarrenvirtuose Greg Leisz.
Coyoacán
Was auf dem Vorgänger-Album der titelgebende Stadtteil von New Orleans, Algier war, ist jetzt der Rückzugsort Coyoacán. Das ist ein südlicher Stadtbezirk von Mexiko-Stadt.
„In Algier gab es dieses wundervolle Studio, aber Coyoacán hatte eine ganz andere Funktion“; gibt Joey Burns zu Protokoll, „wir wollten einfach aus unserer gewohnten heraus, um einen anderen Blick auf unsere Arbeit zu haben. Wir leben zwar seit über 20 Jahren an der Grenze zu Mexiko. Und mexikanische Klänge waren und sind für unsere Musik bedeutsam. Doch das ist nicht zu vergleichen mit einem Ort, wie Coyoacán, wo das Herz Mexikos schlägt und wo wir unsere Musik auch diesbezüglich neu bewertet und entwickelt haben.“
Dieser Einfluss ist so massiv, dass anders, als ursprünglich geplant, dann doch einige der dort aufgenommenen Demo-Spuren sich auf dem Album wiederfinden. Die Nähe zu Mexiko suggeriert zunächst einmal Sonne pur, die in der Vergangenheit auch immer die Calexico-Musik getragen hat. Obwohl die aktuelle Platte, die wohl poppigste ist, die Calexico je gemacht haben, gibt es auf ´Edge Of The Sun´ dunkle Flecken. Gleich von dunklen Stücken zu sprechen, wäre dann doch nicht gerechtfertigt.
„Wo es Sonne gibt, da gibt es auch zwangsläufig Schatten“, reflektiert John Convertino, „diese Schatten sind zwar diesmal da, aber unser Anliegen war es, sie nicht übermächtig werden zu lassen. Schließlich wir gnadenlose Optimisten und jedes Stück endet hoffnungsfroh. Aber wer wahrhaftige Lieder schreiben will, der kann den Schatten, das Dunkle nicht völlig ignorieren.“
Aktuelles Album: Edge Of The Sun (City Slang//Universal Music)
Foto: Jairo Zavala