Blues, Garagen-Rock und eine gehörige Portion Melancholie – all das verbinden Gallon Drunk nun bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert auf ungeheuer explosive Weise. Mit ihrem neuesten Album, "The Soul Of The Hour", haben sich die Briten um James Johnston nun allerdings selbst übertroffen.
Auf ihrem neuen Meisterwerk lassen Gallon Drunk einige ihrer Markenzeichen – die wilden Noise-Ausbrüche, die Abstecher in bluesige Gefilde, das fiebrige Saxofon – ein Stück weit außen vor, klingen etwas abgeklärter und fokussierter, gleichzeitig aber auch hörbar experimentierfreudiger und ausufernder. So beginnt "The Soul Of The Hour" mit dem fast zehnminütigen, sich in langen Instrumentalpassagen langsam aufbäumenden "Before The Fire", während sich das Quartett mit dem unerwartet zerbrechlichen "Dust In The Light" auf die Spuren von Big Stars "Third"-Album begibt, und eine ganze Reihe weiterer Stücke psychedelisch-abgedreht wie nie zuvor klingt. "Ich bin wirklich überzeugt davon, dass diese Platte anders ist, und ich bin wirklich sehr zufrieden damit", konstatiert Frontmann James Johnston, als wie ihn vor dem mitreißenden Konzert seiner Band in der Krefelder Kulturrampe treffen. "Das Studio in Hamburg, in dem wir aufgenommen haben, ist fantastisch, und Johann Scheerer, der uns so brillant bei den Aufnahmen geholfen hat, ist inzwischen – genauso wie all die anderen Leute bei unserem Label Clouds Hill – ein enger Freund der Band. Die gesamte Atmosphäre dort ist ungemein kreativ, und das hat uns ohne Zweifel geholfen, mehr als sonst aus uns herauszugehen. Wenn irgendwann mal etwas völlig schiefging, war das nicht weiter schlimm, denn wir hatten genügend Zeit, einfach weiterzutüfteln. Letztlich hört man auf dem neuen Album endlich die Musik, die nach den Leuten klingt, die sie tatsächlich machen. Das ist etwas ganz Tolles."Auch wenn Gallon Drunk anders als beim Vorgänger "The Road Gets Darker From Here" aus dem Jahre 2012 dieses Mal nicht live im Studio aufnahmen, um später die einzelnen Spuren mit zusätzlichen psychedelischen Effekten beladen zu können, klingt das Album so herrlich direkt, als wäre der Hörer mit der Band in einem Raum. "Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass wir die Aufnahmen nicht ´aufräumen´", vermutet James. "Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass wir auf Tape aufnehmen und es eine Scheißarbeit ist, die Bänder vernünftig zu editieren. Das wollen wir aber auch gar nicht, denn für uns gehören all die kleinen Fehlerchen einfach dazu. Nimm doch nur mal "Highway 61 Revisited" von Bob Dylan oder "Exile On Main Street" von den Stones. Die Platten sind rau, ungeschliffen und einfach umwerfend. Heute ist es häufig so, dass jemand – oft, wenn die Band gerade nicht im Raum ist – auf die Idee kommt, ein paar Dinge geradezurücken, zum Beispiel den schiefen Gesang (was bei mir womöglich sogar geholfen hätte!) oder die nicht hundertprozentig sitzenden Drums. Das ist lächerlich! Platten, die Momentaufnahmen sind, gefallen mir viel besser."
Gerade Dylans "Highway 61 Revisited"-Album diente James allerdings nicht nur klanglich als Referenz. Bevor er sich daran machte, seine gesammelten Notizen und all die aufgelaufenen losen Formulierungen zu Songtexten zu verdichten, hörte er sich Dylans Großtat zur Inspiration an. Während andere Künstler vielleicht eher abgeschreckt wären, wenn sie es mit einigen von Dylans besten Songs aufnehmen müssten, war es bei James genau umgekehrt. "Ich mag es, mir als Inspiration Sachen anzuhören, bei denen ich mich frage: ´Wow, wie zur Hölle ist er da bloß drauf gekommen?´", erklärt er abschließend. "Das gibt mir das Selbstvertrauen, textlich auch ein paar Dinge auszuprobieren. Gerade bei ´The Dumb Room´ gibt es einige Zeilen, die ziemlich spaßig sind und übers Ziel hinausschießen, und eine Platte wie ´Highway 61 Revisited´ gab mir das Selbstbewusstsein zu sagen: ´Ja, warum eigentlich nicht?´"
Weitere Infos: www.gallondrunk.com Foto: Georg Schmid