Morgen vor sechs Jahren hatte The Beta Band offiziell ihr Ende bekanntgegeben. Heute, am 1. April 2010, ist Steve Mason am anderen Ende der Telefonleitung. Aufgeräumt erklärt er anhand des ersten Albums unter seinem guten Vor- und Zunamen, wie er nach all dem Versteckspiel erwachsen geworden ist - und wie heilfroh er über diese sowohl musikalische als auch persönliche Entwicklung ist. Kein Scherz.
Um seine manisch-depressive Veranlagung weiß die gesamte Indiewelt. In jedem Interview muss er durchkauen, wie schlecht es ihm ging, wie unrund er lief, wie verrückt alles in ihm aussah. Und natürlich muss er auch immer die eine oder andere Frage zu seiner ehemaligen Band, The Beta Band, über sich ergehen lassen. Diese Band machte nun mal 100% seines Lebens aus, inklusive aller Extremitäten. Ob es nicht absolut nervtötend sein muss, immer wieder über diese privaten wie professionellen ollen Kammellen zu sprechen?„Ja, schon. Insbesondere dann, wenn man gerade ein neues, eigenes Album veröffentlicht hat und dann aber doch nur über die Vergangenheit gesprochen wird.“
Heute hat Mason allerdings Verständnis und lässt Rückblicke zu, selbst wenn er gar nicht auf dem Schirm hatte, dass sich das dicke Ende seiner Beta Band dieser Tage zum sechsten Mal jährt. Das Ende einer Band, die zu ihrer Hochzeit mehr darstellte, als viele andere Britpop-Bands zu jener Zeit. The Beta Band war eine Attitüde. Eine aktive Attitüde gegenüber vorherrschenden Standards und der alles auffressenden Industrie. Es ging um Reinheit und Aufrichtigkeit, die diese Band verfolgte.
„Wir wollten damals niemanden glücklich, wollten es niemandem recht machen. Wir wollten nur uns selbst gerecht werden.“
Autohersteller, Getränkefirmen, Telefonfutzis und viele andere Haie klopften regelmäßig an, wollten die Songs dieser Band für sich und ihre kommerziellen Zwecke nutzen.
„Sie haben uns Unmengen geboten, das ist noch immer unfassbar für mich! Aber wir wollten niemals, dass unsere Musik mit diesen Sachen in Verbindung gebracht wird, mit diesen schmutzigen Geschäften.“
Und wenn Mason diese Thematik schon damals aufregte, inspirierte und ein wenig verrückt machte, so ist die Beschäftigung damit auch heute noch stets eine prominente in seinen Gedanken.
„Alles ist abgefuckt, alles ist aussichtslos und korrupt. Das dachte ich früher wie heute; mit dem einzigen Unterschied vielleicht, dass ich heute seltsamerweise etwas optimistischer in die Zukunft blicke. Obwohl das vielleicht realitätsfremd zu sein scheint, wenn ich mir allein nur die Entwicklungen hier in Großbritannien anschaue. Ich wollte schon oft dieses Land verlassen, aber mein Problem war: Ich wusste keine Alternative.“
Eine Alternative gab es für Mason aber doch irgendwie immer: die Musik. Nach dem Split 2004 flüchtete er für sechs Wochen in eine Auszeit nach Brasilien, dann - zurück in der schottischen Heimat - betrat er ablenkende Solowege unter den Namen King Biscuit Time und Black Affair. Viel Musik hat er gemacht und einige seiner Experimente kamen zum Vorschein, andere erlagen seiner mentalen Wankelmütigkeit. Irgendwann war dann noch dieser totale Zusammenbruch, gefolgt von verschiedenen Therapien und Hypnosen – am Ende des Tages half alles oder auch nichts. Was Steve Mason aber etwas weiterhalf und festigte, war vielleicht seine Beharrlichkeit. So klingt zumindest die erste Veröffentlichung unter seinem wahren Vor- und Zunamen. Steve Mason macht Schluss mit dem Versteckspiel, „Boys Outside“ ist offener, direkter und augenscheinlicher als alles andere, was er unter seinen Deckmänteln zuvor preisgab.
„Das davor war alles ein Spiel eines jungen Mannes. Nun wollte ich aber nicht mehr irgendetwas vorgeben, wollte kein Underground-Projekt fingieren. Und außerdem fühlte ich mich irgendwie glücklicher zu diesem Zeitpunkt.“
Dieses neue Spiel klingt wie ein konsistentes, konstantes Ganzes. Weniger überladen, viel natürlicher wirken nicht nur die entschlackten, fast schon traditionelleren Songsstrukturen, sondern auch Masons Zeilen. Die Metaphern sind eindeutiger, die Worte präziser gewählt und „man muss meinen kranken Kopf nicht kennen oder gar verstehen, um eine Idee von den Inhalten zu bekom-men“, ergänzt Mason mit diesem reinen Klang und aufrichtigen Unterton in seiner Telefonstimme.
„Mit dieser Platte fühle ich mich so, als würde ich langsam erwachsen und älter werden. Und das meine ich positiv. Denn früher, als ich jünger war, war ich verrückt und mir selbst gefährlich. Ich kann heute Dinge genießen, ohne in meinem Kopf nur Ängste herumzuwälzen. Und deshalb sehe ich mein Erwachsenwerden auch als positiv an. Kein Scherz.“
Aktuelles Album: Boys Outside (Domino/ Indigo)