Weiblich, schwedisch und umwerfend schön - das ist Audrey. Dass José González sie liebt, liegt nicht etwa an einer lokalpatriotischen Bindung, sondern eher an der gemeinsamen musikalischen Sprache, die Audrey und José teilen. Eine Sprache, die verbindet und die jeder mit noch nicht gänzlich versteinerten Herzanteilen versteht: die Musik. Und wer diese mit dem Herzen hört, wird selbiges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an das Göteborger Quartett Audrey verlieren, denn ihr Debütalbum „Visible Forms“ bringt musikalisch genau das zur Sprache, was verbindet.
Emelie Molin ist jung und etwas aufgeregt. Nichtsdestotrotz weiß sie sehr wohl, was ihr und ihrer Band die Einöde und Weitläufigkeit Schwedens eingebrockt haben:„Der Ort aus dem du kommst, beeinflusst dich und deine Musik sehr stark. Für unser Album haben wir uns ganz bewusst an den sonnigen Tagen im dunklen Studio verschanzt. Wir wollten Landschaften mit unserer Musik formen.“
Ein ambitioniertes Vorhaben, das sich Cellistin Emelie gemeinsam mit Rebecka Kristiansson, Victoria Skoglund und Anna Tomlin für ihr Langspiel-Debüt vorgenommen hatte.
Erst vor vier Jahren gründeten sich Audrey in dem südschwedischen, eher aufgrund des Tourismus in die Öffentlichkeit geratenen Örtchens Henån. Bereits nach zwei Jahren ließ sich anhand der selbstbetitelten EP erahnen, welch musikalischen Eisberge, welch träumerische Horizonte und welch einsame Oasen Audrey zu formen imstande sein würden. Was man in seinem Ausmaß aber nicht erahnen konnte, liegt nun vor: „Visible Forms“. Neun Songs, die groß und weit wie Unterwasserwelten sind und in ihrer faszinierenden Anziehungskraft kaum stärker sein könnten. Ein fragiler Kosmos aus Melodien und Räumlichkeiten, in denen sich Alles und Nichts sukzessive entfalten kann. Audreys Musik funkelt und schimmert so prachtvoll, als schwebte die Aura von Björk, Cat Power oder der Rachel's über ihr. Es erhebt sich ein Meer von Stimmungen, die aus den unterschiedlichsten, hinsichtlich einordnender Referenzen eher irreführenden Quellen entspringen:
„Wir haben alle Vier einen ähnlichen, aber individuell doch recht unterschiedlichen Geschmack. Natürlich lieben wir uneingeschränkt Sigur Rós und David Pajo. Ich persönlich zog im Vorfeld unserer Aufnahmen eine Menge Inspiration aus diversen Chor- und Streicher-Arrangements. Aber wir hörten damals auch sehr viel Kristofer Åström, The Bear Quartet, Mogwai, ….Trail Of Dead, Sonic Youth und Slint.”
Ein musikalisches Potpourri, das fehlleitend und treffend zugleich ist. Denn Audrey klingen wie keine dieser Bands, tragen aber das Besondere jeder Genannten in sich: diese (zunächst) unsichtbaren Formen, die verbinden und jeder mit dem Herzen versteht.
Mit diesen Formen spielen Audrey. Behutsam lassen sie aus ihnen Landschaften entstehen, in denen man sich verliert und findet. Es ist die große Stille, die sich beängstigt und besänftigt zugleich ausbreitet. Es ist die innere Schau, die zart aber wuchtig losgetreten wird. Es ist die langsame Bewegung, die den Herzschlag bestimmt. Elegisch und balancierend greifen Audrey herbstliche Stimmungen auf, geben ihnen Formen und machen sie sichtbar. „Visible Forms“ ist hierzulande dank Sinnbus Records nun im musikalischen Qualitätshandel zu erhalten. Darüber sind Sinnbus, Audrey und die der winterlichen Herbstmusik zugeneigten Hörer gleichermaßen glücklich, „denn“, so ist Emelie sich sicher, „das, was uns alle verbindet ist die Liebe zur Musik.“ Und genau diese haben Audrey in formvollendeter Schönheit sichtbar gemacht.
Aktuelles Album: Visible Forms (Sinnbus Recs./Alive)