Das vierte Cordovas Album „The Rose Of Aces“ stellt in mehrerlei Hinsicht einen Wendepunkt für Joe Firstman und seine Musiker dar. Das Ensemble aus Nashville hat nach einer Band-internen Umbesetzung inzwischen in Mexico eine zweite Heimat gefunden und entwickelte dort zusammen mit Produzent Cory Hanson für dieses Projekt einen Ansatz, der weg von den ewigen Vergleichen mit den Allman Brothers und Grateful Dead führen und die musikalischen Fähigkeiten der Musiker aus einer anderen Perspektive beleuchten sollte. Nachdem der zweite Gitarrist, Toby Myers die Band verlassen hatte, engagierten die Cordovas nicht etwa einen neuen „Duell-Partner“ für den Lead-Gitarristen Lucca Soria, sondern nahmen dessen Partnerin, Kelsey Lepperd zur gesanglichen Verstärkung ins Line Up – was den Fokus automatisch auf den Gesang richtete und zugleich Lucca die Möglichkeiten gab, seine musikalischen Fähigkeiten weiter auszubauen. Hinzu kam, dass sich Joe Firstman darauf einließ, seine Song-Ideen zusammen mit Lucca Soria und seinem Kumpel Mark Cline Bates songwriterisch zu verfeinern und dem Produzenten Cory Hanson die komplette produktionstechnische Regie zu überlassen, weil er erkannt hatte, dass er diesbezüglich schnell betriebsblind würde. Das Ziel war dabei klar: Die bestmöglichen Songs zu erschaffen – und das Ego dabei hintan zu stellen.
Wie haben die Cordovas denn die Pandemie verbracht?„Nun ich habe beobachtet, dass viele Bands in der Phase stagnierten“, erinnert sich Joe, „für uns war diese Zeit aber wichtig, weil wir alle zusammen lebten. Ich denke, das wird am meisten dadurch deutlich, dass wir einfach besser im Zusammenspielen geworden sind."
Ist das auch der Grund, warum die neue Scheibe eher positive Vibes emittiert? Viele von Joe's Kollegen kamen ja mit grüblerischen, düsteren Pandemie-Projekten zutage.
„Das war ja eine Art Krankheit an sich, wie die Leute über die Pandemie gesprochen haben“, stellt Joe fest, „ich denke, viele Leute haben versucht, sich da zu profilieren, indem sie über das gesprochen haben, was sie als kollektives Gewissen betrachteten. Das ist einfach eine Art, das Ganze zu faken. Gib mir stattdessen einfach einen guten Song."
Was war Joe denn am Wichtigsten bei diesem Projekt?
„Für uns war das Projekt unglaublich wichtig“, zögert er, „obwohl die erste Single nicht gerade die Plattenfirma damit begeistert hat, wie viele Leute sie sich angehört haben. Das ist irgendwie schon niederschmetternd. Das ist alles der Blues. Man ist da aufgeschmissen – und dann geht es langsam um die Armut. Aber wir haben unser Bestes gegeben. Ich denke, was Cory getan hat, ist unseren Gesang auf eine wirklich klare, geradlinige Weise zum Ausdruck zu bringen. Das hätte ich bei meiner Schicht niemals zugelassen – weil ich meine Stimme dafür nicht genug mag. Indem Cory das aber gemacht hat, hat er mir gezeigt, dass er mich für einen ordentlichen Sänger hält. Die Vokal-Arrangements haben wir zusammen ausgearbeitet. Cory ist ziemlich klug und ich hatte auch einige Erfahrungen mit Stimm-Arrangements. Da gibt es zum Beispiel diese schöne Stelle bei 'Skyline' die er gemacht hat. Da haben er, Lucca und Kelsey den Chor gesungen."
Woher kam eigentlich die Idee für den Titel und das Artwork der neuen Scheibe? Denn natürlich gibt es keine Tarot-Karte namens „Rose Of Aces“.
„Ich habe die Tochter eines Freundes über das Web kennengelernt. Sie heißt Diva und ist sehr an Tarot interessiert – wovon ich absolut keine Ahnung habe. Weißt Du – solche Sachen wie 'The Sword Of Cups' oder 'The Ace Of Trees' – all diese bizarren Sachen. Sie sagt dann immer: 'Oha, heute ist der Tag des 'Sword Of Cups' oder so etwas. Wir wohnten dann mit den Cordovas zusammen in diesem Hotel, wo dieser Typ namens Ace - Adrian - lebte, dessen Frau Rose heißt. Ich habe dann also den Titel vom Tarot gestohlen und das Album 'Rose Of Aces' genannt – es ist aber auch ein Tribut an unsere netten Freunde Ace und Rose. Ich weiß nicht, ob es eine Hommage ist, aber als ich die Geschichte den Grafikern erzählte, so wie ich sie jetzt Dir erzählt habe, ist es das, was sie daraus gemacht haben, als sie das Cover gestalteten."
Wie sieht Joe heutzutage denn die Sache mit der Stilistik? Denn immer wieder werden die Cordovas mit den Allman Brothers oder Grateful Dead verglichen.
„Ein Folksong kann auf viele Arten behandelt werden“, erklärt Joe, „man kann ihn auf ukrainische Art aufnehmen, italienisch, deutsch oder im Latin-Stil – es bleibt dabei aber immer derselbe Song. Alle Songs kann man so sehen. Es gibt nur wenige Songs, die an eine bestimmte Art gebunden sind. Obwohl ich der Meinung bin, dass man auch Led Zeppelin Songs auf eine andere Art darbieten kann, wenn man sich Mühe gibt. Die grundsätzliche Idee ist aber die: Alle unsere Songs sind Folksongs. Und wir wollen einem Folksong auf die Art dienlich sein, zu der wir in der Lage sind und die zu unseren musikalischen Stärken passt."
Das heißt also, dass es nicht so sehr um bestimmte Arrangements geht – wie zum Beispiel bei den Beatles?
„Ganz richtig“, pflichtet Joe bei, „es wäre ja auch schwer, Songs der Beatles als Folksongs zu betrachten – weil dort die Arrangements und die kleinen Intros, die man ja spielen muss, um die Songs erkennen zu können, ja ganz ausschlaggebend sind."
Hat Joe Firstman eigentlich ein Rezept für die Art von Songs, die er anstrebt?
„Man sollte jedermann beteiligen“, meint Joe, „frag den Typ, der hinten den Boden wischt, was er von dem hält, was Du tust – das kann helfen und er hat natürlich immer recht. Das Konzept von den Musikern, die auf dem Hügel stehen und sagen: 'Bleibt weg – wir schreiben jetzt ein Meisterwerk' ist Bullshit – speziell in Nashville. Das ist wie eine Epidemie: Alle Songwriter in Nashville haben echt gute Song-Teile irgendwo – aber nie einen wirklich guten Song. Wenn sie sich mit anderen zusammentäten oder wirklich ihren Horizont erweitern würden, wäre das ein Segen. Die künstliche Intelligenz wird das nämlich für sie irgendwann übernehmen. Wir müssen einfach alle bessere Songs schreiben."
Und wie sieht ein „besserer Song“ aus?
„Er muss vollständig sein“, überlegt Joe, „den grundlegenden Regeln folgen, diese aber zur rechten Zeit brechen. Unvorhersehbarkeit ist ein wesentlicher Bestandteil neuer Kunst – und die Improvisation. Wenn Du in Nashville von Bar zu Bar gehst, steht in jeder ein Typ in einem Kostüm mit einer Band aus brillanten Musikern im Rücken, die aber nichts tun können, weil sie den Typen gut aussehen lassen müssen. Wir wollen Idole und Helden in Nashville – wir wollen nicht einer Band beim Jammen zusehen. Da hat man mich verloren. Nashville ist die Heimat aller schlechten Gitarrenspieler, die alles nur kommerzialisieren wollen. Die Indie-Szene hingegen ist großartig – aber die Indie Szene sind halt wir. Lucca ist einer der Indie-Kings in Nashville."
Was ist die größte Herausforderung in diesem Zusammenhang – und wo sieht Joe die Zukunft der Cordovas.
„Die richtigen Leute zu finden“, meint Joe, „und ich habe sie noch nicht gefunden, obwohl ich einige Schlüsselelemente habe und die Leute, mit denen ich heute arbeite auch gerne mag. Es ist halt schwierig. Am allerwichtigsten ist die Improvisation. Die steht bei mir an erster Stelle und das ist es, was ich mit den Cordovas auch weiterhin machen möchte."
Aktuelles Album: The Rose Of Aces (Ato / PIAS)
Weitere Infos: http://cordovasband.com/ Foto: Justine Molina