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EMILY WELLS

Ein Akt der Hoffnung

EMILY WELLS

Ein Genre, ein Stil, eine musikalische Herausforderung waren noch nie genug für die New Yorker Songwriterin, Geigerin, Komponistin, Arrangeurin und Produzentin Emily Wells. Das war schon in ihrer DYI-Phase Anfang des Milleniums so, erst recht im Rahmen ihres 2012er Label-Debüts und natürlich auch bei ihrem aktuellen Album „Regards To The End“, das übersetzt in etwa soviel heißt wie „Meine Empfehlungen an das Ende.“ Ein Ende ist das neue Werk dabei natürlich nicht, denn es ist nicht abzusehen, dass Emily ihre musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten nicht auch in Zukunft auf kreative Weise ausschöpfen wird. Es ist aber freilich erst mal das Ende einer konsequenten Entwicklung von der experimentellen, avantgardistischen Soundfricklerin hin zur souverän agierenden Crossover-Songwriterin. Wie alle ihre Alben ist „Regards To The End“ dabei nicht einfach eine Songsammlung geworden, sondern bietet auf mehreren Ebenen in vielerlei Hinsicht „Food For Thought“.

Inhaltlich beschäftigte sich Emily auf dem neuen Album mit dem Schicksal von Persönlichkeiten in der ersten Phase der AIDS-Epidemie in den 80er Jahren. Dabei geht es oft um den drohenden Untergang, den Emily im Titel des Albums metaphorisch grüßt.

„Nun das ergibt sich aus der Konsequenz dass ich darauf achte, was in der Welt in der ich lebe so vor sich geht“, schmunzelt Emily, „das Album sollte den Hörer aber definitiv nicht runterziehen. Es geht darum, die Realität anzuerkennen. Ich fand aber auch viele hoffnungsvolle Aspekte in der Kunst der Menschen, auf die ich mich in meinen Songs beziehe. Selbst wenn diese Kunst viele Elemente der Wut und Traurigkeit im Angesicht der AIDS-Epidemie enthalten. Wenn Menschen im Angesicht des Todes noch Kunst machen, dann ist das schlicht ein Akt der Hoffnung und den Glauben an eine Zukunft. Auch wenn die Aussicht grimmig sein mag, ist der schöpferische Akt ein Zeichen der Hoffnung."

Dabei ist die Musik selbst dann auch irgendwie tröstlich, oder?

„Darum geht es doch bei einem Requiem, oder?“ fragt Emily zurück, „man nimmt einen Todesfall und erschaffst einen Ort, wo Du Deine Trauer lassen kannst, indem Du alle herzzerreißende Lieblichkeit zum Ausdruck bringst. Ja, es gab also ein Element des sanften Trauerns, das ich musikalisch einfangen wollte.“

Und dann gibt es da noch den Song „Dress Rehearsal“, in dem Emily sozusagen eine Generalprobe für das Ende der Welt besingt. Geht es dabei nicht auch um den gegenwärtigen Zustand der Welt?

„Ja, doch schon“, erläutert Emily. „Am Anfang der Pandemie habe ich einen Zeitungsartikel gelesen, in dem jemand sagte, dass das Corona-Virus eine Art Generalprobe für die Klima-Krise sei. Diese Idee hat mich sehr beeindruckt – denn die Pandemie hat uns als Menschheit – im Guten wie im Schlechten - ja enger zusammenrücken lassen. Was Du in Deutschland erlebst, erleben wir in den USA auf die gleiche Weise. Auch wenn unsere Regierungen das Ganze auf verschiedene Art behandelt haben, mussten wir dieser Sache doch gemeinsam begegnen. Ich habe das einfach weitergedacht: Was wäre denn, wenn der Planet beschlösse, sein Verhalten über Nacht zu ändern? Jeder kennt ja die Bilder von Delphinen, die in Venedig schwimmen oder Bilder aus dem All, die die Auswirkungen von zusammenbrechenden Industriekomplexen. Es gibt eine Zeile in dem Song, die besagt, das man das, was man bei der Generalprobe gelernt habe, in der Zukunft anwenden solle."

Emilys Musik ist heutzutage tatsächlich sehr viel songorientierter angelegt, während sie früher eher auf der Suche nach den richtigen Sounds gewesen zu sein scheint.

„Diese Beobachtung gefällt mir sehr gut“, erklärt Emily, „ich denke, dass das einerseits eine natürliche Entwicklung war, aber natürlich auch mit den Werkzeugen zu tun hat, die mir zur Verfügung stehen. Die Werkzeuge können nämlich den Prozess sehr stark prägen. Ein Song ist das Ergebnis eines Prozesses. Werkzeuge können dabei sowohl erdrückend wie auch limitierend wirken. Als ich die neuen Songs geschrieben habe, habe ich oft darüber nachgedacht, wie ich das Material später live spielen könnte. Das hat die Struktur und die Klänge schon deutlich geprägt. Und dann sind Alben natürlich auch ein Ausdruck der künstlerischen Entwicklung. Die früheren Alben boten mir die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren und herauszufinden, was es bedeutet, eine Produzentin zu sein. Über diese Aspekte brauche ich mir heute keine Gedanken mehr zu machen und kann darauf vertrauen, dass das mit der Produktion schon klappen wird und kann mich daher mehr darauf konzentrieren am Song als solchem zu arbeiten."

Was zeichnet denn dabei einen guten Song aus?

„Musikalisch ist das ganz einfach“, meint Emily, „denn es geht immer zuerst um die Melodie. Ich arbeite des weiteren schon auf Basis meiner Texte – obwohl es dem Zuhörer nie ganz deutlich werden wird, worüber genau ich gerade spreche oder welches die tiefere Bedeutung meiner Texte ist. Meine Arbeit basiert stets auf Büchern, Literatur oder Aufsätzen. Es steckt viel Forschung in meiner Vorbereitung, die sich nicht immer direkt offenbaren mag, die mir aber wichtig ist. Ein guter Song mag für mich also ganz etwas anderes sein, als für den Zuhörer. Ich habe alle diese Referenzen, die dem Song helfen, Gestalt anzunehmen. Dem Zuhörer bleiben davon nur Bruchteile. Am Ende wird es also die Melodie und der emotionale Zugang sein, der für den Zuhörer ausschlaggebend ist."

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Aktuelles Album: Regards To The End



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