Besonders eilig hatte es die Australische Liedermacherin Indigo Sparke nicht, sich mit ihren sanftmütig dahingehauchten, lyrisch/poetisch/philosophischen Indie-Folk-Allegorien als neue Szene-Hoffnung zu empfehlen. Lange bevor sie sich mit Anfang 20 das Gitarre Spielen beibrachte und 2016 eine erste Songsammlung unter dem Namen „Nightbloom“ veröffentlichte, hatte sie nämlich eine vom inneren Drang, sich auf der Bühne präsentieren zu müssen beflügelte Laufbahn als ausgebildete Schauspielerin eingeschlagen.
Und dann dauerte es noch einmal drei Jahre, bis sie 2019 die Muße fand, jene Songs zu schreiben, die sich nun auf ihrem offiziellen Debütalbum „Echo“ finden. Nachdem sie sich in Australien als Live-Act einen Namen gemacht hatte, reiste Indigo 2019 zusammen mit ihrer Partnerin Adrienne Lenker – für deren Band Big Thief sie sich als Support Act zuvor auch einer größeren Öffentlichkeit präsentiert hatte – durch die USA und ließ sich dabei von der Weite des Landes zu den Songs von „Echo“ inspirieren.Was hat Indigo denn dazu gebracht, sich für die Musik anstelle der Schauspielerei zu entscheiden?
„Ich glaube gar nicht, dass das eine bewusste Entscheidung war“, zögert Indigo. Bevor MIR das klar wurde, war das nämlich gar nicht klar. Ich habe als Schauspielerin ganz schön Mühe gehabt. Da gab es ja ständig diese Vorstellungsgespräche und ich fühlte nicht, dass ich da etwas erschaffen oder mich in der Weise ausdrücken könnte, wie ich es wollte. Also habe ich mir selbst das Gitarre-Spielen beigebracht und habe dann festgestellt, dass es eine sehr viel kraftvollere Art für mich war, mich durch meine Songs ausdrücken zu können."
Viele Musiker, die zuvor Erfahrungen in der Schauspielerei gemacht haben, sagen ja auch, dass man als Songwriter mehr Freiheiten hat, denn als Schauspieler, weil man ja eigene Ideen verwirklichen kann.
„Ja, dem würde ich 100%ig zustimmen“, pflichtet Indigo bei, „es ist ja auch eine sehr intime, persönliche Art sich mitzuteilen. Man kann auf diese Weise diese ganzen verschiedenen Welten, die man in sich trägt, repräsentieren – statt in einen Charakter schlüpfen zu müssen, der in der Art limitiert ist, in der er geschrieben wurde."
Wenn Indigo sagt, dass sie verschiedene Welten in sich trage, so meint sie das schon sehr ernst, denn in ihren Songs spiegeln sich verschiedene Facetten ihrer Persönichkeit wieder. Sind damit aber verschiedene Aspekte ebendieser Persönlichkeit oder gar verschiedene Persönlichkeiten gemeint?
„Ich denke beides“, lacht sie, „es ist natürlich heutzutage problematisch so etwas zu sagen, denn dann kommt ja gleich wer und vermutet dass ich eine Multiple Persönlichkeitsstörung habe – aber das ist natürlich nicht das, was ich meine. Ich denke das wir alle viele verschiedene Teile oder Versionen unserer selbst verinnerlichen. Ich kämpfe gegen die Limitationen, die die Gesellschaft uns als menschliche Wesen und besonders Frauen auferlegt. Weißt Du – indem von uns verlangt wird, bestimmte Rollen zu spielen. Es ist doch alles so viel facettenreicher als das – das sollten wir uns bewusst machen."
Kann man denn wenigstens etwas, was man als Schauspielerin gelernt hat – beispielsweise eben auch, in verschiedene Rollen zu schlüpfen - auch für die Musik verwenden?
„Etwas, was ich zur Zeit gerade verarbeite, ist zu versuchen, den Aspekt des Performens aus der Theaterwelt in die Musik-Welt zu integrieren“, überlegt Indigo, „denn es gab viel Schönes in der Welt der Schauspielerei. Ich mochte es auch immer, im Theater aufzutreten. In gewisser Weise sind Theateraufführungen nämlich wie Musik-Shows. Denn jede Aufführung ist verschieden und sind vom Austausch mit dem Publikum abhängig – das ja auch jeden Abend ein anderes ist. Ich versuche also gerade herauszufinden, wie ich diese Erkenntnis nutzen kann, um mehr bieten zu können, als etwa eine einfache Folk-Aufführung."
Interessanterweise ist „Echo“ auf der musikalischen Ebene sehr viel einfacher, akustischer und leiser gehalten, als die Songs der „Nightbloom“-EP.
„Das war eine bewusste Entscheidung“, erklärt Indigo, „Adrienne Lenker und ich haben uns dazu entschieden, die Sache einfach zu halten und sie nicht zu verkomplizieren, indem wir zuviel anhäuften. Es sollte alles schön sparsam und zugänglich sein – in etwa wie die Wüstenlandschaften, durch die wir gereist waren.“
Das ist ja eine große Herausforderung, oder?
„Ja, es ist sehr schwierig“, pflichtet Indigo bei, „es gab viele Momente, wo ich mir wünschte, mehr zu machen und mit einer ganzen Band aufzunehmen und eine schöne, reichhaltige Welt zu erschaffen. Ich fragte mich zuweilen selbst, ob das nicht einfach langweilig sei, was wir da machten. Und es gab sogar Songs, wo wir dann mehr gemacht haben – was wir dann aber doch wieder weggenommen haben, weil uns klar wurde, dass wir die Extra-Sachen doch nicht brauchten."
Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn in seiner entspannt, verträumt und nachdenklichen Art ist „Echo“ ein geeignetes Gegengewicht für den allgenwärtigen Senstations-Overkill, dem wir zur Zeit ja alle ausgesetzt sind.
Aktuelles Album: Echo (Sacred Bones / Cargo)
Foto: Adrianne Lenker