Sophie Chassée beschreibt ihren Sound selbst als "Sophisticated Music", und das ist mehr als nur ein smartes Wortspiel mit ihrem Namen. Auf ihrem feinen neuen Album ´Lesson Learned´ begeistert die am Niederrhein aufgewachsene Singer/Songwriterin und Gitarristin mit fabelhafter Modern-Fingerstyle-Technik und verwandelt dabei mit einem Hauch Melancholie und einem feinen Händchen für poppige Eingängigkeit die Lektionen des Lebens, die dem Album den Namen gaben, in warmtönenden Wohlklang.
Eigentlich ist das Genre Modern Fingerstyle die Domäne von Herren in den besten Jahren, die nicht oft vor die Tür kommen und sich ihr Können in mühseliger, jahrzehntelanger Kleinarbeit angeeignet haben. Sophie dagegen ist gerade einmal 24, und auch wenn das erste ihrer inzwischen vier Alben bereits 2013 erschien und sie diesen Sommer ihr Musikstudium abschließt – der von ihr eingeschlagene musikalische Weg ist und bleibt ungewöhnlich. Oder sind Saitenvirtuosen wie Andy McKee, Ben Howard oder John Mayer etwa Künstler, von denen die Kids heute auf dem Schulhof schwärmen? „Nein, ganz im Gegenteil. Dass ich so, sagen wir mal, ´spezielle Musik´ gehört habe, hat es mir auch in der Schule bzw. als Teenie nicht immer leicht gemacht“, gesteht Sophie im Westzeit-Interview. „Aber ich hatte nun mal von klein auf ein klares Ziel vor Augen: Musikerin zu werden und so spielen zu können wie Andy McKee.“ Sie lacht, aber tatsächlich ist sie diesem Ziel in den letzten Jahren immer näher gekommen.Aufgewachsen in einer musikalischen Familie, war Sophie schon früh klar, dass sie die Musik zu ihrem Lebensinhalt machen wollte. Der Traum vom Popstar à la Kylie Minogue währte nur kurz, denn kaum dem Grundschulalter entwachsen, wurde ihr Interesse an der außergewöhnlichen Welt des Modern Fingerstyle mit seinen perkussiven Elementen und seinem ungewöhnlichen Melodienreichtum geweckt – und von da an gab es kein Zurück mehr für sie. „Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zur Zupfinstrumentenmacherin gemacht, die aber kurz vor der Zwischenprüfung geschmissen, weil mir dadurch erst klar geworden war, dass ich nix anderes als Musik machen möchte“, erzählt sie. „Ich dachte eigentlich immer, ich könne nach der Ausbildung immer noch Musik studieren und mit dem Instrumentenbau hätte ich eine gute, ´sichere´ Basis. Aber oft ist der vermeintlich sichere Weg auch keine gute Alternative, geschweige denn das Richtige oder das, was einen glücklich macht.“
Doch nicht nur deshalb ist ´Lesson Learned´ ein treffender Titel für Sophies neues Album. Ihre Musik wie auch ihre mit sanfter Stimme gesungenen englischsprachigen Texte sind für sie ein Ventil, Erlebnisse und Gefühle in Liedern zu verarbeiten, die gleichermaßen intensiv wie verletzlich sind. Das Songwriting sieht sie dabei fast schon als eine Form der Therapie. Tatsächlich präsentiert sie sich fünf Jahre nach dem Vorgänger ´Progress´ reifer, selbstbewusster und abgeklärter, und auch wenn es entlang des Weges einige Lektionen zu lernen gab, sieht sie die lange Wartezeit auf das neue Werk rückblickend als Segen – nicht zuletzt auch, weil sie so die Gelegenheit hatte, ihre perfektionistische Ader auszuleben. „Ich bin diesmal keine Kompromisse eingegangen und habe so lange an der Produktion rumgewerkelt, bis alles genau so war, wie ich es wollte“, verrät sie. „Bei den vorherigen Alben gab es hier und da immer wieder Abstriche oder ich habe mich aufgrund von Abhängigkeiten beeindrucken und einschüchtern lassen. Diesmal wollte ich einen ganz klaren Fortschritt zu allem, was ich bisher veröffentlicht habe, und deshalb war es für mich diesmal keine Option, Kompromisse zu machen oder mich von jemandem abhängig machen zu lassen.“ Anders als bei ihren Konzerten, bei denen sie sich ganz auf ihr technisches Können und ihre speziell für die angefertigte Lakewood-Akustikgitarre verlässt und auf jegliche Effekte und Gimmicks verzichtet, fasziniert sie auf ´Lesson Learned´ mit nuancierten Arrangements, bei denen sie das Klangbild mit selbst eingespielten Basslines, Percussion, Satzgesang und einfühlsamen Pad- und E-Gitarrensounds behutsam ausstaffiert.
Beeindruckend ist allerdings nicht nur, was Sophie macht, sondern nicht zuletzt auch, wie sie es tut. In Zeiten, in denen Musik immer mehr auf Profit ausgerichtet ist und für manche Musiker bisweilen nur ein Mittel zum Zweck zu sein scheint, um in die nächste Steuerklasse aufzusteigen, geht es Sophie allein um die Musik – Leidenschaft und Herzblut für ihr Tun sind ihr wichtiger als die Aussicht auf Profit. Doch wie passt sie damit in eine Zeit, in der hübsche Fotos auf den einschlägigen Kanälen der sozialen Medien oft mehr Likes bekommen als brillante Songs? „Ich entscheide mich bewusst gegen das ganze Profit- und Like-Gedöns“, sagt sie bestimmt. „Auch die heutzutage sehr relevanten Marketingstrategien über Social Media ziehe ich nicht gut genug durch, obwohl ich vieles dazu während des Studiums gelernt habe. Meinen CD-Verkauf und meine Reichweite erziele ich fast ausschließlich über Live-Konzerte. Ich denke, es ist daher vordergründig dem Genre des Modern Fingerstyle, das ja praktisch eine Nische in einer Nischenmusik ist, geschuldet. Außerdem habe ich in gewisser Weise ein Grundvertrauen in die Menschen, die gerne Musik hören, sie schätzen und ihr eine Chance geben. Wieso, weshalb, warum, kann ich nicht sagen.“ Sie hält kurz inne. „Ist das naiv? Mag sein, aber das ist mir egal!“
Aktuelles Album: Lesson Learned (Acoustic Music/Galileo)
Weitere Infos: www.sophiemusic.de Foto: Christian Olschina