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THE HOLD STEADY

„Es ging uns um den Überraschungseffekt“

THE HOLD STEADY

„Die Punk-Version der E Street Band“ wurden The Hold Steady kürzlich genannt, und mit ihrem neuen Album ´Open Door Policy´ zeigen die Amerikaner, warum: Mehr denn je stellt das US-Sextett nun sein Faible für althergebrachte Songwriter-Tugenden und Classic-Rock-Breitwandigkeit in den Mittelpunkt eines urbanen, bisweilen gerade soulig anmutenden Sounds, vergisst dabei aber keineswegs seine oft wütend lärmende Vergangenheit und hat auch textlich mit Charme und Witz ein Ohr an den Gleisen.

Fast zwei Jahrzehnte gibt es The Hold Steady nun schon, doch an der grundlegenden Ausrichtung der Band hat sich seitdem kaum etwas verändert. Trotz einer beachtlichen personellen Kontinuität ist für Sänger Craig Finn, Drummer Bobby Drake, Keyboarder Franz Nicolay, Bassist Galen Polivka und die Gitarristen Tad Kubler und Steve Selvidge dennoch nicht alles beim Alten geblieben.

„Die größte Veränderung der letzten Jahre ist sicherlich, dass wir inzwischen nicht mehr alle in der gleichen Stadt wohnen“, sagt Frontmann Craig Finn im Westzeit-Interview.

„Die meisten von uns sind weiterhin in New York zu Hause, aber Steve lebt in Memphis und Franz in Berkeley, Kalifornien. Deshalb ist es für uns heute nicht mehr so leicht wie früher, einfach mal zusammenzukommen – und die Pandemie hat das noch einmal deutlich verkompliziert. Wir haben im Dezember letzten Jahres gemeinsam einige Live-Stream-Auftritte absolviert, aber davor haben wir uns zuletzt im März gesehen, als wir das letzte Mal vor Publikum gespielt haben. Die geografische Distanz ist sicher der entscheidende Unterschied – und natürlich sind wir alle inzwischen auch älter!“

Nicht zuletzt deshalb hatte sich nach einer kleinen Auszeit zur Mitte des letzten Jahrzehnts auch die Arbeitsweise der sechs Musiker verändert. Zeit- und kräfteraubende Tourneen wurden durch Wochenend-Happenings abgelöst, bei denen The Hold Steady mehrere Tage am Stück in der gleichen Metropole auftraten, und auch ihre altbewährte Herangehensweise im Studio warf die Band über den Haufen. Statt eine ganze LP in einem Rutsch einzuspielen, verlegte sich die Band vor einigen Jahren auf die Veröffentlichung einer Reihe hochexplosiver Singles. Erst am Ende entstand daraus ihr 2019er-Album ´Thrashing Through The Passion´.

Doch obwohl er und auch seine Mitstreiter das Arbeiten abseits des üblichen Albumrahmens sehr genossen haben, zeigte ihnen dieses Vorgehen auch, dass diese Freiheit nicht nur Vorteile mit sich bringt.

„Wir mögen es, in den Grenzen eines Albums zu denken“, gesteht Finn. „Das gilt vor allem für mich als Texter, weil ich so mit meinen Geschichten den Bogen weiter spannen kann. Außerdem haben wir festgestellt, dass sich viele Fans – gerade die älteren – eher mit einem Album identifizieren können. Ganz abgesehen davon wollten wir uns dieses Mal auch einfach nicht wiederholen. Es ging uns um den Überraschungseffekt.“

Für ´Open Door Policy´ kehrten The Hold Steady deshalb zu traditionelleren Strukturen zurück, und das führte zu einem Album, das klanglich überlegter klingt als der vor allem musikalisch mitreißende Vorgänger. Stand bei der letzten Platte die überbordende Spielfreude der Musiker im Mittelpunkt, ist die neue LP – abermals produziert von Tausendsassa Josh Kaufman – auch produktionstechnisch durchdachter.

„Der Grund dafür ist, dass wir dieses Mal eine LP im Sinn hatten“, unterstreicht Finn.

Textlich drehen sich die neuen Lieder um die großen Fragen unserer Zeit: Macht, Reichtum, Ungleichheit, psychische Gesundheit, Konsumverhalten und Überleben – und das, obwohl die Texte wie die Aufnahmen bereits fertig waren, bevor die Pandemie alles auf den Kopf stellte. Als Prophet sieht sich Finn deshalb allerdings nicht. Vielmehr verweist er darauf, dass viele der Probleme, die durch COVID-19 verstärkt wurden, auch schon vorher schwer auf den Schultern vieler Amerikaner lasteten, oder wie er es selbst ausdrückt: „Wir haben eine düstere Platte gemacht, ohne zu wissen, dass es noch schlimmer kommen würde!“

Aktuelles Album: Open Door Policy (Positive Jams / Thirty Tigers / Membran)


Weitere Infos: theholdsteady.net

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