Nach einem verheißungsvollen Debüt mit dem minimalistischen Folk-Trio Mountain Man vor rund zehn Jahren und einer kräftezehrenden Welttournee als Musikerin für Feist hatte Molly Sarlé eigentlich die Nase voll vom Musikbusiness. Mit ihrem fantastischen Solo-Erstling ´Karaoke Angel´ erklärt die heute in North Carolina heimische Amerikanerin nun zum Glück ihren Rücktritt vom Rücktritt und fasziniert zwischen Laurel-Canyon-Folk-Rock und verhangenem Dream Pop mit beeindruckender Gelassenheit und bemerkenswertem Eigensinn.
„Aus irgendeinem Grund sehe ich auf der Bühne nicht die Notwendigkeit, um Erlaubnis für mein Tun zu bitten, Kompromisse zu machen oder mich rechtfertigen zu müssen“, erklärt Molly Sarlé bei unserem Treffen vor ihrem Konzert im Düsseldorfer Zakk. Musikerin zu werden stand für sie trotzdem eigentlich nicht zur Debatte.„Als ich anfing, mit Mountain Man Musik zu machen, studierte ich am College Geschlechterforschung und Theater“, verrät sie. „Die Karriere hat einfach mein Leben in Besitz genommen, und das war ziemlich überwältigend. Ich war damals 20, fast noch ein Baby, und wusste nicht, wie ich mit dem Druck und den Tücken der Musikindustrie umgehen sollte.“
Als die lange Tournee mit Feist zu Ende ging, checkte sie in ein Zen-Zentrum ein, um abzuschalten. Dann zog sie nach L.A., um sich als Schauspielerin zu versuchen, merkte aber schnell, dass ihre Abneigung gegen den Hollywood-Bullshit zu groß war.
„Ich ging zu Vorsprechen, um Geschichten anderer Leute zu erzählen, die mir oft gleichgültig waren“, erinnert sie sich. „Mir wurde klar, dass ich mit meinen Songs sofort und ohne Umwege das sagen konnte, was mir selbst wichtig ist. Das hat mich zurück zur Musik gebracht.“
Bald stellte sie allerdings fest, dass ein Soloalbum ungleich schwerer zu realisieren sein würde als die Songs mit ihrer Band.
„Die Arbeit mit Mountain Man ist mir immer leichtgefallen, weil wir alle genau das machen, was wir am besten können“, erklärt sie. „Solo musste ich plötzlich all die Lücken allein füllen, obwohl ich die Fähigkeiten dafür nicht immer besaß.“
Vier Jahre arbeitete sie deshalb an sich und ihren Songs und verbrachte viel Zeit in der Karaoke-Bar unweit des Wohnwagens in Big Sur, der damals ihr Zuhause war. Fleetwood Macs ´Dreams´ oder Mazzy Stars ´Fade Into You´ hallen deshalb nun auf ´Karaoke Angel´ wider, doch gleichzeitig wurde Molly auch noch etwas anderes bewusst.
„Manchmal reicht es allein, auf der Bühne zu stehen, um dem Verlangen des Publikums nachzukommen, einem Menschen beim Menscheln zuzusehen!“, ist sie überzeugt. Diese Erkenntnis schlägt sich in ihren wunderbar naturbelassenen Soloauftritten genauso nieder wie auf ´Karaoke Angel´.
Oft lesen sich ihre zumeist autobiografisch inspirierten Texte wie Mini-Drehbücher, die nicht nur mit unerwarteten Drehungen und Wendungen überraschen, sondern trotz vieler düsterer Momente auch oft mit schrägem Humor begeistern. Wenn sie die Selbstmordgedanken ihres Vaters thematisiert, Botschaften an die Ex-Frau eines Geliebten sendet oder über Empowerment-Epiphanien nach dem Sex sinniert, nennt sie die Beteiligten oft beim Namen.
„Ich habe darüber nachgedacht, die ein oder andere Zeile zu ändern, aber letztlich versuche ich vor allem, meine Lieder empathisch zu machen und aus einer Perspektive zu schreiben, die mehr mein Erleben beschreibt, als mit dem Finger auf andere zu zeigen“, sagt sie über ihre Herangehensweise. „Ich versuche, mir meines Platzes in den Interaktionen, über die ich schreibe, stets bewusst zu sein.“
Dabei vergisst sie allerdings nie, was ihr am meisten am Herzen liegt:
„In meinen eigenen Songs wie in denen anderer – Ehrlichkeit ist mir am wichtigsten!“
Aktuelles Album: Karaoke Angel (Partisan / PIAS / Rough Trade)
Weitere Infos: www.facebook.com/mollysarle