Also ein typischer Songwriter von der Stange ist der Belgier Tamino nun wirklich nicht – dafür sorgen allein schon seine Herkunft und die Geschichte seiner musikalischen Erziehung. Alles begann damit, dass seine Mutter – als großer Fan von Mozart's Oper ´Die Zauberflöte´ - ihrem Filius den Namen des Haupt-Charakters, Tamino, verpasste – und ihn dann insofern musikalisch an die Hand nahm, indem sie ihn mit der klassischen Musik, klassischer Popmusik wie jener der Beatles, mit Tom Waits und Serge Gainsbourg bekannt machte.
Dabei blieb es aber nicht: Als er seinem geschiedenen Vater in dessen Heimat Ägpyten besuchte, vererbte ihm sein Großvater, Moharam Fouad – seines Zeichens als Schauspieler und unter dem Namen ´Stimme des Nils´ ein gestandener Star in seinem Heimatland – jene Bariton-Gitarre, die er bis heute spielt. Und dann ist da ja auch noch die Tatsache, dass seine Mutter aus dem Libanon stammt und er obendrein in Belgien lebt. Das heißt also, dass sich Tamino um musikalische Inspirationen nie so richtig sorgen musste. Insofern finden sich dann in den mit einer gewissen Grandezza angelegten, aber durchaus transparent inszenierten, düster/melancholischen Noir-Balladen auf seiner Debüt-Cd ´Amir´ Einflüsse aus allen möglichen Musikrichtungen – sowohl westlicher, wie auch nahöstlicher Natur.„Als Teenager mochte ich lautere Rockmusik wie Soundgarden oder Nirvana“, erklärt Tamino, „Chris Cornell ist zum Beispiel jemand, der – wie ich - mit einer hohen Stimme und einem großen Stimmumfang arbeitete. Er war in diesem Sinne durchaus eine große Einflussquelle für mich, denn er stellte ganz erstaunliche Dinge mit seiner Stimme an. Er hat mich auch als Songwriter inspiriert, weil er so seltsame Sachen geschrieben hat. Dann sind Leonard Cohen und Bob Dylan als Songwriter für mich von Bedeutung – und zwar weil sie so unterschiedliche Songs schreiben können, in denen ich immer wieder neue Sachen entdecken kann. Und musikalisch fühle ich mich von arabischer Musik inspiriert. Ich mag den Klang der Oud und ich mach die Melodien und Klangfolgen der arabischen Welt.“
Ist das dann auch ein Teil des kreativen Prozesses?
„Wenn ich einen Song schreibe, denke ich nicht darüber nach“, räumt Tamino ein, „aber als wir die Aufnahmen gemacht haben, haben wir uns bewusst dazu entschieden, mit einem arabischen Orchester – 'Nagham Zikrayat' – zusammenzuarbeiten. Dabei handelt es sich eine Gruppe von Musikern – darunter übrigens Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak – die in Brüssel leben. Das war ein ganz bewusster Entschluss, diese phänomenalen Musiker unsere Arrangements spielen zu lassen.“
Ist das vielleicht der Grund dafür, warum Tamino's Songs auch eine pastorale und vielleicht sogar liturgische Note besitzen?
„Ich bin sehr an religiösen Strukturen und Philosophien interessiert“, erläutert Tamino, „ich bin ein Fan des Buches ´Der Prophet´ des libanesisch-amerikanischen Poeten Khalil Ghibran. Es ist kein heiliges Buch, aber die Tugenden, die in diesem Buch beschrieben werden, nehmen mich doch schon sehr ein. Aber ich bin nicht in dem Sinne religiös, dass ich den allmächtigen, einzigen Gott akzeptieren könnte.“
Ja gut – aber wie wirkt sich das auf seine Musik aus?
„Sagen wir mal so: Was ich in spiritueller Hinsicht an der Musik mag, ist der Umstand, dass die richtige Art von Musik die Zeit anhalten kann. Eine ganze Gruppe von Leuten kann mit der richtigen Musik – ich weiß nicht – auf eine andere Ebene gehievt werden? Musik hat etwas, das Zeit und Raum durchdringt. Man sorgt sich ja zum Beispiel nicht mehr um tägliche Probleme, wenn man Musik hört. Und das ist doch spirituell, oder? Wenn ich zum Beispiel ein Konzert besuche und empfinde, dass ich fast zu schweben anfange, dann weiß ich, dass das zu meinen besten Erfahrungen zählt. Das ist mir zum Beispiel bei Nick Cave mal so gegangen – und da waren keine Drogen im Spiel, es war nur die Musik, die mich beflügelt hat. Wenn ich so etwas bei einem meiner eigenen Konzerte erreichen kann, dann ist das das Größte überhaupt.“
Nun – es gibt ja sicherlich schlechtere Motivationen, als die Menschen mit seiner Kunst zum Schweben zu bringen. Tamino ist diesbezüglich jedenfalls auf einem guten Weg.
Aktuelles Album: Amir (Caroline / Universal)
Foto: Ramy Moharam Fouad