Die Musik der Hamburger Band der Fall Böse ist ein energiegeladenes Mixtape aus Jazz, Rock, Blues, Soul und Funk. Gleichzeitig ein heiß gekochter Kessel Buntes, dessen einzigartige Würzmischung Zutaten aus Mexiko oder Australien aufweist. Beides Länder, die von der Truppe schon unsicher gemacht wurden und in ihrer Musik durchaus ihre Spuren hinterlassen haben. Vielleicht nicht unbedingt in de Musik, doch in der Haltung der Band, was musikalische Grenzen und deren Zerschlagung anbetrifft.
Keine JungspundeDer Fall Böse, dass sind keine Jungspunde, die ihre ersten musikalischen Gehversuche machen.
„Ja, wohl wahr“, lacht Burns, nicht nur der Wortführer im Gespräch, sondern auch auf der Bühne, „1998 war allererster Auftritt in Wyk auf Föhr, im Erdbeerparadies. Aber es gab uns da schon etwas länger.“
Wer solange dabei ist, der hat sein System des Stückschreibens gefunden. So auch der Fall Böse. „Bei uns haben sich über die Jahre drei Leute herauskristallisiert, die den Löwenanteil der Stücke schreiben“, erläutert Burns, „aber immer versuchen wir, alle anderen heftig mit einzubeziehen. Jeder, der ein coole Idee am Start hat, der hat sie bisher auch immer unterbringen können. Und beim gemeinsamen Jammen werden alle unsere Ideen ausformuliert.“
Doch bei aller Routine, sind die Jungs von Der Fall Böse keine schnelleren Schreiber geworden.
„Eher im Gegenteil“, lacht Burns, „vor allem seit wir uns angewöhnt haben, jedes Stück live zu testen. Erst danach wird überhaupt eine Diskussion darüber geführt wird, ob es ein Stück für Album sein könnte. Was definitiv schneller geht, ist der Prozess des Aufnehmens, da zahlt sich Routine schon aus.“
Bluesdurchtränkt
Charmante, leicht bluesgetränkte Stücke haben Der Fall Böse auf der Platte „Die ganze Nacht“ versammelt. Herzerfrischend roh und kantig.
„Eine Ursache dafür ist sicherlich, dass wir weitgehend analog aufgenommen haben, mit einer Bandmaschine aus den 1960er-Jahren“, erläutert Burns, „und dann wir auf Kosten der spielerischen Qualität das Gefühl eben mitgenommen. Gleich das erste Stück ‚Über der Stadt’ fängt mit einem Riesenfehler an, wird angefangen, abgebrochen und wieder neu begonnen. Und genau so haben wir es auf die Platte genommen.“
Das es auf eine neue platte zugeht merkt die Band aus St. Pauli immer dann, wenn die Liedern anfangen zu kribbeln „und es klar ist, dass wir das so noch nicht hatten“, wie Burns anfügt. Diese Andersartigkeit geht soweit, dass die Alben von Der Fall Böse inhaltlich nicht zu vergleichen sind. Der Text der Stücke ist immer das letzte, was dazu kommt. Bei den auch häufig düsteren Zeilen geht es um nichts anderes, als den alltäglichen Wahnsinn einzufangen
„Da wird auch ordentlich dran gefeilt“, sagt Burns, „ein Text wird nicht einfach so dahingerotzt, da geht es schon um Aussage.“
So werden Der Fall Böse zu grandiosen Geschichtenerzählern. In diesen Geschichten da fliegen die Träume (ein Textfragment aus „Durch die Nacht“) hoch, um tief zu landen und dabei die Realität zu küssen. .
Der explosive Stil-Mix von Der Fall Böse ist definitiv etwas für musikalisch abenteuerlustige Hörer; denn von der ersten bis zur letzten Note der insgesamt 15 Stücke, lässt sich eine Entdeckung nach der anderen machen. Und doch bleibt immer noch so viel verborgen, dass es nicht absehbar ist, wann man die Platte jemals zu Ende gehört hat. Eine der wenige wirklich zeitlosen Veröffentlichungen.
Aktuelles Album: Die ganze Nacht (Rodrec / Cargo Records)