Das Netz ist ja mittlerweile fast schon ein alter Hut. Vorbei die Zeiten, in denen haufenweise Bands in den einschlägigen Blogs entdeckt, heiß gehandelt und dann ohne Label & Co durch die Decke gehievt wurden. Clap Your Hands Say Yeah kamen damals aus jenen Untiefen der trendsetzenden Indiefluten, wurden gefeiert und suchten dann eine Pause zum Atmen und Verschnaufen. Nun ist aber Schluss mit Ruhe – es ist wieder an der Zeit, ordentlich auszuteilen!
Diese Stimme erkennt man sofort. Nasal nuschelt Alec Ounsworth in den Hörer, genervt von der Hitze in Philadelphia, aber immer grundsympathisch. Und das, obwohl er immer wieder tief seufzend ausholt, wenn er über Musik und alles, was damit zu tun hat, reden muss. Dabei ist er ein Theoretiker, ein Nerd, der sich den Kopf über alles zerbricht, was sein musikalischer Bauch so von sich gibt. Das war nicht immer so, behauptet Ounsworth zumindest:„Früher war ich jung und enthusiastisch, heute ist mir etwas klarer, über was ich da eigentlich singe oder singen will. Und ich bin mittlerweile auch vorsichtiger, passe auf meine Stimme viel besser auf, pflege sie förmlich und versuche mit ihr Fortschritte zu machen.“
Musikalisch kann man das fast eins zu eins übernehmen. Denn das, was vor sechs Jahren aus dem heimischen Appartement ohne Label im Rücken rausgehauen und nicht nur die Indiekids sondern auch namhafte Heroen à la Bowie und Byrne begeisterte, klang wie ein unreflektiertes, großes Drauflosmachen. Der neue heiße Scheiß hat damals alles richtig weil selbst gemacht, ohne sich zu sehr einen Kopf zu machen – nicht zuletzt auch über die Musik. ´Some Loud Thunder´ (2007) war dahingehend doch hörbar anders als das selbstbetitelte Debüt (2005) – mehr Kopf, mehr Studio, mehr Konstrukt, mehr Wirbel at all. Das Weniger liegt unüberhörbar auf der Hand, und auch die ausgedehnte Pause war am Ende unvermeidbar.
Wenngleich doch Pausen selbst im Hause CYHSY relativ sind. Robbie Guertin, Lee Sargent, Tyler Sargent, Sean Greenhalgh, Alec Ounsworth – sie alle blieben während dieses Hiatus aktiv, auch wenn sich der eine oder andere „nur“ in einer Guns´n´Roses-Tributeband austobte:
„Es ist wichtig, auch mal mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Gerade dann, wenn man an einem Punkt angekommen ist, an dem man alles für selbstverständlich nimmt, was man da macht. Als wir uns dann irgendwann wieder als CYHSY zusammenfanden, wurde mir seit längerer Zeit mal wieder bewusst, was wir eigentlich an uns haben.“
Als wäre all das im Plan des Alec O. so und nicht anders vorgesehen gewesen, sprach er schon damals, als die Band in ihre Pause ging, mit John Congleton. Paperchase, Explosions In The Sky, The Walkmen, Okkervil River und so viel mehr hatte Congleton in der Vergangenheit mal mehr und mal weniger als hauptverantwortlicher Producer und/oder Songwriter betreut, beraten und befeuert. Über ein Jahr lang stand Ounsworth mit ihm im persönlichen, aber eben auch musikalischen Dialog. Alec hatte erste Ideen und John verstand sie sofort, wusste sie weiterzuspinnen.
„Ich bewundere John dafür, was er für die Platten anderer und für seine eigenen getan hat. Er weiß, was er tut. So etwas gefällt mir.“
Alec hatte im Grunde schon tausende Ideen, die aber nicht zwangsweise veröffentlicht werden sollten - weil er im Laufe der letzten Jahre gelernt hatte, Dinge zu vervollständigen und rund zu machen, den Kopf über das Gefühl verständnisvoll rüberbügeln zu lassen:
„Denn nur weil ich finde, dass sich eine Idee gut anfühlt, muss das nicht heißen, dass sie fertig, ja geschweige denn gut ist.“
Jazz, Ska, Klassik und dazwischen jede denkbare Form von Rock N’ Roll hatte Alec sich sein Leben lang einverleibt – immer mit der Frage: Warum passt das alles bei diesem Song eigentlich so gut zusammen? Warum sitzen bei jenem Song die Worte und Vokale so, wie sie sitzen und warum ist genau das gerade richtig und gut so?
„Ich hatte früher einen etwas vereinfachten Anspruch und Zugang zur Musik. Ich mochte The Smiths, R.E.M., The Beatles und Velvet Underground ohne aber genau zu verstehen, was und wer dahintersteckte. Ich ging nicht in die Köpfe, die verantwortlich für diese guten Songs waren. Seit der letzten Platte hab ich mir eine Art Crashkurs in Sachen Songwriting gegeben – um zu verstehen, was es ist, das einen Song so groß und außergewöhnlich gut macht. Ich wollte dahinterkommen, warum sich etwas gut anfühlt.“
Eine Art Erforschen des Intuitiven also und ein unerschöpfliches Nachverfolgen jener Magie, die sich mit Tönen, Worten, Melodien und Momenten in die Magenkuhle boxt. Alec und seine wieder agierende Band haben verstanden: Verstehen ist gut, reicht aber nicht, wenn man ordentlich austeilen will. Ein grundsympathischer Kopf- und Bauchansatz.
Aktuelles Album: Hysterical (V2/ Coop Music / Universal)
Foto: Pieter van Hattem