Sedlmeir gibt sich echt Mühe. Mit den Texten. „Stimmt, deshalb fände ich es schade, wenn die so untergehen“, animiert er zum Zuhören. Für den, der trotzdem weghören will, stellt er den Gesang live immer besonders laut. Da es derartige Voreinstellungen bei der Platte nicht gibt, seien diese Hörer massiv aufgefordert hinzuhören. Der Mann hat was zu erzählen. Die kleinen, zunächst unscheinbaren Sachen im Leben, die haben es ihm angetan. Dinge, die dann aber hinterrücks brachial über die Menschen hereinbrechen.
Diese Situationen hinterfragt Sedlmeir auf seiner neuen CD „Import Export“ auf eine Art und Weise, wie es bisher kein auch noch so aufklärerisch wirken wollender Mensch tat. Geradezu investigativ.„Warum rocken wir?“ will Sedlmeier wissen, „ganz einfach, wir können nicht anders. Da fließt alles ein, was einen nicht loslässt. Was aber sonst kein Schwein interessiert.“
Genau darüber spricht Sedlmeir. Lässt nicht locker. Wird auch schon mal aufdringlich. Erzählt dadaesk, surreal oder kafkaesk von der schwarzen Katze, die es schafft, einen selbst zu Zeiten gleißenden Lichts in einen Tunnel zu geleiten. Von der Schaupielerkunst auf der großen Bühne des Lebens und der plötzlichen Erkenntnis, dass sie nicht mehr als eine Statistenrolle bereithält. Und natürlich vom Rock’n’Roll.
Rock’n’Roll Superstar
Er muss vom Rock’n’Roll singen; denn Musik ist nur Musik, wenn sie Rock’n’Roll ist. Und somit einen großen Star nach dem anderen hervorbringt. Einen echten Sedlmeir zum Beispiel. Und als Star will er dann behandelt werden. Deshalb und damit er auch gleich als solcher zu erkennen ist, hat er sich einige amtliche Accessoires zugelegt: Ein schiefes Grinsen, komischfarbene Anzüge, einige sogar mit goldenen Knöpfen (behauptet zumindest sein Tourkollege Oliver Maria Schmitt), schwarze, schicke Hemden, auch mit Schlips wurde er schon gesehen -und jetzt kommt’s- schneeweiße Feinstleder-Schuhe. Irgendwie schmierig kommt er daher, der in Berlin gestrandete Saarländer, der in Köln einen Zwischenstopp einlegte.
„Schmierig, gebe ich sofort zu“, wird sein Grinsen noch ein Stückchen schiefer, „so bist du nicht zu fassen. Da rutscht jeder ab.“
Sedlmeirs Rock’n’Roll-Show ist dann auch eine ziemlich einsame Angelegenheit, nämlich eine Einmann-Show-Band.
“Ich dachte mir, ich sollte mal eine Kirmes-Billig-Ausgabe einer Rock’n’Roll-Band zu machen“, skizziert er seine musikalische Vision, „und weiter dachte ich mir, das mache ich am Besten alleine. Schließlich geht es doch darum, dass man auch auf einem Quadratmeter die Sache übertreiben und auf den Punkt bringen kann.“
Doch auf „Import Export“ haben sich heimlich, vermutlich ohne Sedlmeirs Wissen, einige Mitstreiter eingeschlichen, etwa eine ominöse Frau Müller, die einfach so mitsingt. Oder Lilo Love, die Sedlmeier den Trompetenmarsch bläst. Auf „2 Mann sind 1 Team“ konnte er sich gesangstechnisch nicht dem muskelbepackten Elektro-Punk-Bodybuilder Rummelsnuff erwehren. Den Begriff Rock’n’Roll interpretiert Sedlmeir absolut grenzfrei. Offen in alle Himmelsrichtungen. Doch bloß nicht zu viel Aufwand betreiben.
„Ich kann drei Akkorde“, singt Sedlmeir ein Loblied auf den Minimalismus, „das reicht, um sich ein Leben in Saus und Braus aufzubauen.“
In diesem Leben bringt leicht angepunkter Rock die Texte genauso zum Tanzen, wie wild vertracktes Elektrogefrickel oder verruchte, schwummrige Chanson. Einzelne Stücke schrammen hart an der Schlagergrenze entlang. Doch wen stört es? Sedlmeir offensichtlich nicht im Geringsten. Ob laut, ob leise und egal welches Genre. ER bringt immer stürmische und genial skurrile Rebellenmusik zum Vortrag.
Aktuelles Album: Import Export (Haute Areal/Cargo Records)