Beinah wären Savoy Grand zerbrochen. Die zweijährigen Albumarbeiten kosteten Frontmann Graham Langley viel Kraft und bescheren ihm nun das ersehnte Happy End: „Accident Book“ heißt der erste Longplayer nach langer Schaffenspause und setzt sich mit gesellschaftlichen Zwängen auseinander, die hauptverantwortlich dafür sind, dass die neuen Songs erschreckend düster sind. Ein Tanz am Abgrund.
Vor vier Jahren hatten Savoy Grand die Sache geklärt – „People And What They Want“, veröffentlicht im Zuge einiger internen Querelen, sollte die Combo um Songwriter Graham Langley wieder auf Kurs bringen. „Es gab öfters diesen Punkt in meinem Leben, an dem ich dachte: Jetzt passt alles zusammen“, resümiert der Frontmann einer Band, die das Schlimmste noch vor sich hatte.Kurz nach den ersten Konzerten der 2005er Europatour stieg überraschend Drummer Neil Wells aus und hinterließ einen Scherbenhaufen. Langley erinnert sich: „Er war die ganze Zeit bei den Aufnahmen dabei, fühlte sich augenscheinlich wohl und gab keinerlei Signale, dass sein Abgang beschlossene Sache sei.“
Wer die Geschichte der englischen Slowcore-Helden kennt, wird sich wundern, warum dieses Ereignis so viel Staub aufwirbelte – schließlich sind Ex-Mitglieder bei ihnen keine Seltenheit: Vor Wells stiegen bereits drei andere Kollegen im Laufe der Jahre aus. „Meine Mutter sagte immer ‚three is the magic number’ und irgendwie glaubte ich daran, als wir die letzte Platte veröffentlichten.“
Im Anschluss wurde nicht lange gefackelt, schnell fand sich Darren Simpson und was niemand erwartete: Er brachte die notwendige Ruhe mit sich und ist hauptverantwortlich dafür, dass wir mit „Accident Book“ den neuen, vierten Savoy Grand-Longplayer in Empfang nehmen dürfen.
Darauf angesprochen, hebt sich zum ersten Mal während des Interviews die Stimme von Langley: „Normalerweise machen Schlagzeuger das, was du ihnen sagst. Nicht so Darren, ihm sind seine Ideen wichtig. Zwar bin ich es, der die Sachen schreibt, aber mit seiner Hilfe bekommen sie den nötigen Schliff.“
Und weil das so ist, gestalteten sich die Arbeiten an den neuen Songs wie ein Marathon. Die Band interagierte zum ersten Mal seit ihrer Gründung Ende der Neunziger auf einer Ebene miteinander, die niemand zuvor kannte.
„Ich konnte spüren, wie ein neuer Elan uns packte, selbst wenn er viel Zeit kostete.“
Zeit genug, um Texte zu schreiben, die so schonungslos offen sind, dass „Accident Book“ auch Graham Stanleys persönliches Tagebuch sein könnte. Gesellschaftliche Zwänge, Katas-trophen und Schicksale – untermalt von langsamem Slowcore, schleppen sich die Drums wie eine gefallene Armee, die Akustikgitarren bremsen jeden Funken Hoffnung und wenn am Ende – im Schlussakkord „The End“ – alles in Frage gestellt wird, ist das „Accident Book“ ganz bei sich selbst.
„Wenn mich jemand fragt, wovor ich den Menschen warnen möchte, lautet die Antwort: Vor sich selbst. Erklär mich für verrückt, aber diese Einsicht hat etwas sehr beruhigendes“, stellt er fest und freut sich auf die kommende Tour seiner Band.
Selbst wenn das bedeutet, die hochemotionalen Songs Abend für Abend Live zu spielen.
„Während eines Konzerts habe ich nie die Möglichkeit irgendwas zu reflektieren. Wenn überhaupt, passiert so was nach einer Tournee und dann ist man in der Regel allein.“
Ein Zustand, den das neue Savoy Grand-Album gut kennt und auf eine Weise thematisiert, dass dem Hörer der Atem stockt.
Trotzdem: Die lange Pause, der schwere Aufnahmeprozess, die bitteren Einsichten – all das gehört zum Besten, was Graham Stanleys Songwriting passieren konnte.
Aktuelles Album: Accident Book (Glitterhouse / Indigo)