Die Briten von Piano Magic sind bereits mit Bands wie Godspeed You Black Emperor!, Felt, My Bloody Valentine oder auch Slowdive verglichen worden, und auch, wenn die musikalischen Verbindungen auf den bisher fünf Alben von Glen Johnson und Co. ohne Frage ihre Berechtigung haben, heißt das nicht, dass nicht schon morgen alles ganz anders sein könnte. Denn schon auf ihrem dieser Tage veröffentlichten sechsten Album "Writers Without Homes" schlagen Piano Magic (und ihre Gäste, die von Folk-Ikone Vashti Bunyan bis zu Mitgliedern von Bands wie Life Without Buildings, The Czars, Tram reichen) wieder einen neuen Weg ein und liefern die wohl elektronischste Platte ihrer Karriere ab.
Inspiriert von Ivo Watts-Russells legendärem End-80er Projekt This Mortal Coil wechseln auch Piano Magic die Besetzung schneller als Michael Schumacher die Reifen und haben sich deshalb in der Vergangenheit auch gerne als "Musiker-Allianz auf Zeit" denn als Band im klassischen Sinne bezeichnet. Zusammengehalten wird die, ähm, Allianz von Glen Johnson, dem einzigen Musiker, der von der Urbesetzung des Jahres 1995 noch übrig geblieben ist. Kein Wunder also, dass sich die aktuelle Band kaum mehr mit der vergleichen lässt, die vor erst zwei Jahren das hochgelobte letzte reguläre Album "Artists’ Rifles" eingespielt hat. "Es ist wirklich völlig anders", erklärte Glen der WESTZEIT kurz nach Ende der Piano-Magic-Europatournee im Mai. "Als Band sind wir jetzt viel relaxter, selbstbewusster und ’freier’ als je zuvor. Im Frühjahr 2000 [kurz vor der Veröffentlichung von "Artists’ Rifles"] waren interne Spannungen und Meinungsverschiedenheiten an der Tagesordnung. Jetzt, wo wir die letzte Europatournee gerade hinter uns haben und dieser Tage unser bestes Album veröffentlicht wird, haben wir das Gefühl, dass wir wirklich alles meistern können. Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass dieses Selbstbewusstsein nicht mit Egoismus verwechselt werden sollte?"Da stellt sich natürlich die Frage: Wenn Piano Magic so großartig sind, warum hat man bisher von ihnen so wenig gehört? Ganz einfach, ihre Platten, viele davon One-off Singles und 12"s, erschienen bisher vor allem auf kleinen Indielabels ohne großartiges Vertriebssystem. Damit ist es nun erst einmal vorbei, denn noch vor der Veröffentlichung des neuen Albums gaben Piano Magic mit dem atmosphärisch dichten Soundtrack "Son De Mar" letztes Jahr ihr Debut für das renommierte 4AD-Label, also genau für der Plattenfirma, bei der This Mortal Coil das Rotationsprinzip erfunden haben, das nun auch Piano Magic umsetzen! Dass es ausgerechnet ein Soundtrack war, mit dem die Band beim neuen Label startete, war keineswegs nur als zaghafter "Testlauf" zu verstehen, Auch wenn es nach außen hin vielleicht so ausgesehen hat. Der Zufall stand Pate. "Der Soundtrack sollte eigentlich gar nicht unsere erste Platte für 4AD sein. Wir saßen bereits in den Startlöchern, um die Arbeit an ‘Writers Without Homes’ zu beginnen, als Regisseur Bigas Luna anrief und uns nach Barcelona einlud, um seinen neuen Film anzuschauen. Und die Musik dazu zu schreiben, war ein Angebot, das wir einfach nicht ablehnen konnten!” Glen selbst ist nur bedingt auf das Geld angewiesen, das er mit seiner Band verdient. Nebenbei ist er nämlich noch der Gründer des Tugboat-Labels, dem wir die Europa-Veröffentlichungen von großartigen Bands wie Sodastream oder natürlich Low verdanken. Bei Tugboat arbeitet Glen übrigens eng mit Rough-Trade-Gründer Geoff Travis zusammen, dessen Plattenfirma Bands wie The Strokes oder Hope Sandoval & The Warm Inventions unter Vertrag hat. Über mangelnde Arbeit kann sich Glen also so oder so nicht beklagen!
Aktuelles Album: "Writers Without Homes" (4AD/Beggars Group/Connected)