Der Osten ist bekannt für seine blühenden Musiklandschaften: Unzählige Bands werden gegründet, Unkraut wuchert neben Zierpfänzchen und Leipzig und Dresden haben längst ihren Ruf alle Szene-Hochburgen weg. Doch auch das malerische Erfurt hat sich musikalich in Positur gerückt: Als Wiege exzellenter elektronischer Musik. Um das Rätsel aufzulösen: Es handelt sich um Northern Lite, die spätestens seit ihres 2006 erschienenen Albums „Unisex“ in aller Munde sind und ein enormes Medieninteresse entfacht haben. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Newcomer-Band. Gegründet wurden Northern Lite bereits 1997 , 2005 gewannen sie den Dance Music Award in der Kategorie „Best Indie /Electronic Artist” und vertraten ihr Heimatland Thüringen beim Bundesvision Song Contest 2007. Mittlerweile haben sich vom Geheimtip zum absoluten Upcoming Act gemausert und ihr neuestes Album „Super Black“ wird ein weiterer Meilenstein in ihrer Erfolgsgeschichte werden.
Hat sich mit dem gestiegenem Bekanntheitsgrad Wesentliches geändert?„Uns selbst ist es gar nicht so aufgefallen, dass wir in den Augen der Öffentlichkeit diesen Sprung gemacht haben. Für uns ging es eigentlich seit der Gründung unseres Labels stetig bergauf. Die Aufmerksamkeit der großen Medien, sprich Fernsehen hatten wir bis dato zwar nicht, aber das hat uns nicht wirklich gefehlt. Ich meine, es gibt eine ganzen Haufen sehr erfolgreicher Bands, die Du niemals auf ProSieben sehen wirst. Und das ist auch nicht unsere Intention. Von daher haben wir diesen Hype, von dem alle im Zusammenhang mit uns reden, gar nicht als solchen erlebt. In den einschlägigen Szeneblättern waren wir auch vorher schon vertreten und das war für uns der Indikator, der letztendlich zählt.“
Ihr Label heißt übrigens 1st Decade Records und bietet nicht nur Northern Lite ein musikaliches Zuhause, sondern ist auch Plattform für andere Künstler wie Monosurround, Neonman oder Junghans, um nur einige herauszupicken. Bei der Frage nach der ersten selbstgekauften Platte, kommt Überraschendes über Musikbeschaffung in den Zeiten der DDR zu Tage.
„Die erste Platte war ein Album der Pet Shop Boys. Die habe ich Ungarn gekauft, da gab es solche Musik zu kaufen. Die hatten da so ein großes staatliches Label, die haben quasi alles lizensiert, nicht ganz so wie es bei der Amiga war. Das war irgendwann in den Achtzigern.“
Seitdem ist viel passiert. Ob die Columbia-Halle in Berlin oder die Thüringen-Halle in Erfurt. Für Northern Lite ist es keine Seltenheit, vor mehr vor 5000 Leuten zu spielen. Hätte man sich das je träumen lassen?
„Ja, auf jeden Fall! Wenn man sich das nicht vorstellen kann, bringt man als Musiker gar nicht die Geduld und das Durchhaltevermögen auf, auch mal eine Durststrecke zu überstehen. Und jeder der behauptet, er hätte nie daran gedacht, in einer ausverkauften Riesenhalle zu spielen, ist ein Lügner. Man hält mir immer vor, dass ich als 14-jähriger bei Status Quo vor der Bühne stand und vor mich hingenuschelt habe ‚Das will ich auch‘! Es ist halt so ein Egoding. Das Wesentliche ist, von der Musik leben zu können und das hauptberuflich machen zu können. Das würde eigentlich schon reichen, aber vor einer solchen Menschenmenge zu spielen, setzt natürlich ganz andere Energien frei. Zwischen den Bandmitgliedern, aber auch zwischen Band und Publikum. Deshalb haben wir live auch noch eine ganz andere Durchschlagskraft. Es entsteht dort eine Dynamik, die nicht vorhersehbar ist. Diese Stimmung lässt sich niemals auf einem Album festhalten.“
Die Frage, die fast bei keinem Interview fehlt, heißt: Warum immer noch Erfurt? Warum nicht Berlin?
„Ich seh darin keinen Nachteil in Erfurt zu leben. Hier ist es ruhig und beschaulich und wenn Du ein gutes Album schreiben willst, ist Ruhe das, was Du meisten benötigst. Die hat man nicht, wenn man in einer Stadt wie Berlin lebt, die so stark pulsiert und einem keine Zeit zum Nachdenken lässt. Northern Lite würden nicht genauso klingen, wenn die Gegebenheiten anders wären, Und im Moment wünsche ich mir nur, dass alles so großartig weiterläuft und somit steht mir der Sinn überhaupt nicht nach Veränderungen.“
Und ein Act, mit dem man unbedingt mal zusammen spielen möchte?
„Wenn es jemals die Chance gäbe: Nine Inch Nails!! Für mich ist Trent Reznor die coolste Sau von allen. Bei seinen Konzerten geht dermaßen die Post ab, dass einem ganz schwindelig wird. Unvorstellbar!! Außerdem bewundere ich sehr, dass er immer sich selbst treu geblieben ist, obwohl er auch keinen leichten Weg hatte. Mittlerweile ist er ein Millionenact, in den Staaten ist er ja noch wesentlich angesagter als hier, und obwohl er so erfolgreich ist, hat er sich immer noch einen gewissen Undergroundstatus bewahrt. Er gehört auch zu jenen Künstlern, die von den Radiostationen eher links liegengelassen werden und einzig und allein durch seine Performance diesen Erfolg erlangt hat. Und wenn einer verdient hat, abgefeiert zu werden, dann Trent Reznor!“
Aktuelles Album: Super Black (1st Decade / Universal)