Stolz nennt der Veranstalter die Zuschauerzahl von 70.000, die an drei Tagen die holländische Hauptstadt in eine große Jazzwolke tauchten. Zwei Dinge sind dafür verantwortlich: zum einen die dreißigste Ausgabe des Festivals, zum anderen dessen letzte Ausrichtung in Den Haag. Im kommenden Jahr wandert North Sea Jazz nach Rotterdam, weil das Nederlands Congress Centrum aus allen Nähten platzt. Hautnah zu spüren am zweiten Juliwochenende. Schieben, rempeln, drängeln, drücken führte auf Fluren, Treppen und im Freien zu langen Staus. Man hatte mehr damit zu tun, von einem Saal zum anderen zu gelangen als die Musik zu genießen.
Die gab es auch. Chaka Khan erhob mit großem Orchester den "Goldfinger" und setzte in der völlig überfüllten Statenhal die Meßlatte. Zeitgleich spielte Brad Mehldau mit gebremster Intensität im van Gogh Zaal amerikanische Klavierstandards. Statenhal und Dachterrasse wurden zeitweise geschlossen, weil die Sicherheit nicht garantiert war. Auch bei Billy Cobham im Paul Acket-Paviljoen knarzte es mächtig im Gebälk. Solomon Burke saß wieder auf dem rosengeschmückten Thron und schmetterte Soulevergreens unters Volk. Das Superquintett der 80/90er Jahre, "Steps Ahead", kam mit Auswechselspieler Bill Evans, weil Saxophonist Michael Brecker im Krankenhaus lag. Vorher gelang Pianogroßvater Oscar Peterson ein umjubelter Auftritt. Für Candy Dulfer war Den Haag ein Heimspiel und sexy-saxy ihre orkanartige Funkmusic. Für jüngere Ohren besorgten Jamie Cullum, Joss Stone und Zuco 103 für herzerfrischende Klangduschen.Im nächsten Jahr also ein Wiedersehen in Rotterdam. "Ahoy" heißt es dann, denn dreißig Jahre North Sea Jazz in Den Haag müssen erst einmal überboten werden.