Wenn die Zahl der Besucher im Verhältnis zur Zahl der Sitzplätze im NCC stehen würde, könnte man ganz entspannt das dreitägige North Sea Jazz Festival genießen. In Wahrheit drängt, schiebt, rempelt, rennt und läuft der am Ende des Tages völlig geschaffte Musikfan wie in einem Ameisenhaufen herum, ständig auf den Suche nach dem richtigen Saal zur richtigen Uhrzeit. Und wer zwischendrin mal eben nach draußen möchte, um frische Atemluft zu tanken: 2 Euro Austrittsgeld, bitte. Damit man wieder hinein darf.
Musikalisch fand trotzdem einiges statt im ausverkauften NCC: Elvis Costello, etwas aus dem Anzug gewachsen, vor einem Respekt gebietenden Orchester, der über achtzigjährige Dave Brubeck, der am Piano meisterhaft junge Klänge entwickelte, Carlos Santana in der stets proppevollen Statenhal mit messerscharfen Gitarrenriffs und einer Wollmütze gegen keine Haare. Rickie Lee Jones begann wie in Zeitlupe lyrisch verhuschte Romanzen zu singen, fand dann kraftvollere Töne, die auch ihre Begleiter mit einbezogen. Am nächsten Tag legte Tony Joe White eine äußerst coole Session hin, während Stanley Clarke und mehr noch Macy Gray in der Statenhal ein Dampfbad aus Funk und Soul anrichteten. Von Davis S. Ware erhielt das Publikum neben seinem erratischen Saxophonspiel eine kleine Lektion in Sachen Black Power: im Hintergrund lief ein Schriftband mit Martin Luther Kings „I Had A Dream“-Rede. Spät abends versetzte der junge Norweger Eyvind Aarset die Dachterrasse in einen Wall of Sound. Was Alicia Keys schon am frühen Sonntagnachmittag in einer sexy Bühnenshow vorbereitete, nutzte James Brown für einen Auftritt nach Großvatermanier. Seine Exzellenz James ließ sich feiern, bejubeln, verehren. Und gab eine fulminante Show zurück. Auch wer ihn nicht sehen konnte wegen der publikumsunfreundlichen Architektur des Paulus-Potter-Saales: Bugge Wesseltoft und sein Gast Dhafar Youssef versetzten die Luft in elektronische Jazzschwingungen. Das dicht gedrängte Programm ließ keine Wahl außer der, das passende Konzert zu wählen. Es gab reichlich Gelegenheit dazu.Text + Foto: Klaus Hübner