Während hierzulande kaum noch amerikanische Künstler aus dem Americana-Lager den Weg auf unsere Bühnen finden (während irritierenderweise die Major-Labels immer wieder versuchen, die kommerziellen Country-Acts in den Markt zu drücken) ist das in den Niederlanden immer noch der Fall – schon alleine, weil diese Art von Musik dort auch von einer breiten Öffentlichkeit geschätzt und getragen wird. Spielten zum Beispiel auf dem letzten Reeperbahn-Festival so gut wie keine US-amerikanischen Acts ohne Basis in Europa auf, so war es den Machern des Take Roots Festivals auch in diesem Jahr wieder gelungen, klangvolle Namen aus der Szene für das Festival zu buchen – darunter auch einige überzeugte Wiederholungstäter wie Mary Gauthier & Jaimee Harris, Hurray For The Riff Raff, Sam Beam und sein Projekt Iron & Wine sowie Howe Gelb, die bereits schon zuvor auf den Bühnen des Take Root gestanden hatten.
o.: Pat Sansone, Muireann Bradley / m.: Mary Gauthier, Jenny Connors / u.: Jack Browning, Howe GelbBei den Fans kam das natürlich gut an, dieweil die genannten Acts ja nicht einfach ihr übliches Ding durchzogen, sondern mit unterschiedlichen neuen Projekten aufwarteten. Im Falle des Paares Mary Gauthier und Jaimee Harris ging es zum Beispiel darum, den Re-Release von Gauthier's „Drag Queens & Limousines“ auf Vinyl und Jaimee's aktuelle LP „Boomerangtown“ sowie Mary's Autobiographie „Saved By A Song“ zu promoten (was dazu führte, dass Mary und Jaimee fast länger am Merch-Stand als auf der Bühne verbrachten). Alynda Segarra präsentierte mit ihrer Band Hurray For The Riff Raff ihr neues, countrylastiges Album „The Past Is Still Alive“ (das hierzulande nicht ein Mal ernsthaft promotet wurde) und überspielte ihre in ihrem Newsletter zum Ausdruck gebrachte Nervosität über die damals noch anstehende US-Wahl mit fröhlichem Aktivismus. Sam Beam trat mit einem um eine Streichersektion und zwei Visual Artists, die zur Musik korrespondierende Backdrops live erzeugten auf und Howe Gelb hatte das aktuelle Giant Sand Line-Up im Gepäck, zu dem zur Zeit Brian Lopez als Bassist, Ur-Drummer Tommy Larkins am Schlagzeug und Töchterchen Talula als neues Vollmitglied gehören. Außerdem gefiel dann die Idee Howe's, sich mit einer umgeschnallten Grubenlampe als singender Leuchtturm zu empfehlen. Auf der anderen Seite gab es dann die Acts, die aufgrund ihrer musikalischen Zielrichtung etwas aus dem Rahmen fielen – wie z.B. die kanadischen Wild Rivers mit ihrem Soul-/Folk-/Indie-Pop, Jessica Pratt, die eher jazz-orientierte, feinsinnige Folksongs mit einer Prise Psychedelia präsentierte und dann natürlich das Big Star Quintet. Bei letzterem handelt es sich um eine Art „Appreciation-Society“ für das legendäre Insider-Quartett Big Star aus Memphis zu der sich eine wechselnde All-Star-Cast zusammengefunden hatte, nachdem 2010 die Gründungsmitglieder Alex Chilton und Andy Bell dem bereits zuvor verstorbenen Andy Hummel ins Great Big Yonder gefolgt waren. Immerhin: Drummer Jody Stephens ist bis heute mit dabei und bot in Groningen auch eine anrührende Ansprache und Vocal-Performance. Vervollständigt wurde das beeindruckende Line-Up dann durch Chris Stamey (The dbs), John Auer (The Posies) sowie John Stirrat und Pat Sansone (beide Wilco und The Autumn Defense) – die sich dann alle (allerdings letztlich vergebliche) Mühe gaben, den hakelig-schwerfälligen Old-School-Rocksongs etwas Zeitgemäßes abzugewinnen.
Dann gab es natürlich noch die Riege der Einzelkämpfer, die sich alleine mit ihrer akustischen Gitarre auf die Bühne wagten. In diesem Jahr gab es dabei zum Beispiel den Songwriter Jack Browning zu entdecken, der seine amüsanten Honky-Tonk und Country-Ditties mit breitem Südstaaten-Akzent intonierte, dann aber das überraschte Publikum auf holländisch adressierte – und schließlich dann einräumen musste, tatsächlich aus London zu stammen. Andererseits war da noch die 17-jährige Irin Muireann Bradley, die sich noch als Kind in den klassischen Mississippi-Blues verliebt hatt – und seither eine virtuose Meisterschaft darin entwickelt hat, originäre Akustik-Blues-Songs ihrer Idole wie Elizabeth Cotten, Mississippi John Hurt, Memphis Minnie oder Reverend Gary Davis in wahnwitziger Geschwindigkeit mit Fingerpicking-Techniken zu neuem Leben zu erwecken – und sich obendrein als passionierte Kuratorin und Promoterin ihres Genres entpuppte. Und schließlich wurde das Programm abgerundet von Acts, die sich dann noch am ehesten mit klassischen Americana- und Roots-Rock-Ansätzen gemein machen und im Foyer – einer mitten im Gebäudekomplex platzierten, frei zugänglichen (und demzufolge stets überlaufenen) Spielstätte ihrem Shtick hingaben. So etwa der schwedische Liedermacher Jesper Lindell, der die Memphis-Soul-Elemente seiner aktuellen LP „Before The Sun“ ein wenig zugunsten der ebenfalls implementierten Folk-Vibes (in dem Fall durch Geige und Mandoline) zurückstellte und das Big Pink Feeling der LP dann auch entsprechend reproduzierte. Dann waren da noch die Roots Rocker Wayne Graham um die Brüder Hayden Und Kenny Miles (die ihr Bandprojekt nach den Namen ihrer beiden Großvätern benannt haben), die vollständig auf die psychedelischen Elemente ihrer aktuellen LP „Bastion“ verzichteten und in Sachen zünftigen Schweinerocks tätig waren und natürlich Jenny Don't & The Spurs die mit ihrem ansteckend gutgelaunten Cowpunk-Variante mit ihren Grand-Ole-Opry Kostümen für Glam- und Vaudeville-Flair sorgten und sich als sympathische Rampensäue du jour empfahlen.
Unter dem Strich bot die diesjährige Ausgabe des Take Root Festivals ein stilistisch erfreulich breit gefächertes Angebot auf hohem Niveau – zwar ohne wirklich sensationelle Highlights – dafür aber auch ohne wirklich gravierende Ausfälle. Im Rahmen der Nachhaltigkeit könnte man das in den kommenden Jahren ja eigentlich einfach so weiterführen.
Weitere Infos: https://www.spotgroningen.nl/events/takeroot/