Sophie Chassée schaut nach vorn. Für ihr Konzert in Essen kehrt die 27-jährige Musikern zwar gewissermaßen an den "Ort des Verbrechens" zurück – mit vielen der Lieder ihres vor wenigen Wochen veröffentlichten Albums ´Attachment Theory´ verarbeitet sie eine schmerzliche Trennung in eben dieser Ruhrgebietsmetropole –, künstlerisch allerdings, das ist praktisch schon vor dem ersten Ton klar, lässt sie die Vergangenheit hinter sich. Reichten ihr zuvor ein, zwei Akustikgitarren, um durch den Abend zu kommen, ergänzen dieses Mal Stromgitarre, Sampler und eine elaborierte Deko das Bild auf der Bühne, und auch das Fehlen des sonst obligatorischen Stuhls in der Bühnenmitte deutet bereits vor Konzertbeginn an, dass dieser Auftritt eine andere Art von Dynamik haben wird. Wie schon auf dem detailverliebt ausstaffierten neuen Album sorgen nun satte Gitarren-Grooves, einnehmende Harmonien und ein Schuss Schwermut dafür, dass Sophies Können als Gitarrenvirtuosin und emotionsgeleitete Singer/Songwriterin mit Pop-Faible auch bei ihren Live-Shows gleichermaßen hell erstrahlen. Im Grend verweisen zwar Songs wie ´Haunting Shadow´ oder ´Fleeting´ weiter auf Sophies Liebe zu Modern-Fingerstyle-Heroen wie Andy McKee, gleichzeitig ist aber auch unüberhörbar, dass sie sich inzwischen mehr denn je mit John Mayer identifiziert, der sein Tun ja mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit aus der Nische heraus auf die ganz große Pop-Bühne bugsiert hat. Im Zentrum des 95-minütigen Auftritts stehen deshalb die Songs, die sie mit Stromgitarre und Backingtapes auf ungewohntes Terrain im Pop-Dunstkreis führen. Herzstück der Shows sind dabei die Songs, mit der sie das Publikum unverblümt am Herzschmerz nach ihrer Trennung teilhaben, wenn sie uns mit einer Handvoll facettenreicher Songs durch die Stufen der Verarbeitung des Erlebten führt und dabei von ´What I'm Not` über ´User Not Found´ und dem wunderbare emotionalen ´Dear Marie´ zu ´Bury You Alive´ und am Ende zu der Feststellung ´I Don't Give A F***´ führt. Mit dem fabelhaften. ihrer verstorbenen Großmutter gewidmeten Instrumental ´The Last Journey Of The Wren´ unterstreicht sie derweil, dass auch ihre virtuosen Fähigkeiten als Gitarristin dazu beitragen, die Bandbreite organisch auszuweiten. Nachdem sie sich bei der Zugabe mit dem Tracy-Chapman-Medley ´Fast Car / Talkin' About A Revolution´ verabschiedet hat, verlässt man deshalb das Grend in der Gewissheit, dass Sophie Chassée ihre eigene "Revolution", die Umwälzungen in ihrem Leben, als Künstlerin und Mensch bravourös gemeistert hat.
Weitere Infos: www.sophiechassee.com