So oft war die Tour von Faye Webster – bzw. eine Show in Köln – abgesagt, umgelegt und verschoben worden, dass die Songwriterin aus Atlanta in der Zwischenzeit seit den ersten diesbezüglichen Planungen gleich mehrere Tonträger (darunter auch das aktuelle Werk „Underdressed At The Symphony“) hatte veröffentlichen können und obendrein auch hierzulande richtig berühmt wurde bzw. zu einer jener Leitfiguren für blutjunge, queere Musikfans – was denn wohl auch der Grund dafür gewesen sein mag, dass das Konzert, nachdem es denn ein Mal bestätigt worden war, im Kölner Gloria angesetzt worden war. Eigentlich interessiert sich ja diese Art von Fan-Klientel gar nicht für die sophistische Art von leicht altmodischem Jazz-, R'n'B- und Soul-Pop den Faye seit Jahren zu einer eigenen musikalischen Genussmittelklasse perfektioniert hat – deswegen liegt die Vermutung nahe, dass der Musikstil nur einen Teil des Appeals für die Fans ausmacht. Benét Nutall ist ein „trans-non-binärer“ Künstler aus Richmond, Virginia mit derzeitiger Basis in New York, der dezidiert nicht unter „they“ sondern „he/him“ firmiert, gleichwohl in seinem Gesang die femininen Aspekte mehr als deutlich zum Ausdruck kommen. Benét gehört zum engen Freundeskreis von Faye Webster und gelangte zu einiger Bekanntheit durch den Song „Killing Eve“ mit Bezug zu der entsprechenden Fernsehserie – der natürlich auch im Rahmen seines Support-Slots zum Vortrag kam und den er noch vor seinem Debütalbum „Can I Go Again?“ aus dem Herbst des letzten Jahres veröffentlichte. Die Art mit der Benét auf ungezwungene Art mit dem Publikum parlierte, dieses auf Gay-Kompatibilität abklopfte, dabei Insider-Jokes riss und das Oeuvre von Faye Webster thematisierte, ließ darauf schließen, dass etliche der Fans – von denen wiederum viele offensichtlich amerikanischen Ursprungs waren – Faye Webster auf deren Europatour hinterher gereist waren. Nominell macht Benét eine Art souligen Indiepops, der in den Studio-Versionen oft von einem treibenden Beat und pulsierenden Grooves unterlegt ist. Im Solo-Vortrag wurde das dann auf das Niveau akustischer Balladen eingedampft, wobei Benét gesanglich durch eine im Vergleich zur Sprechstimme glasklaren Diktion und musikalisch durch beeindruckend feinsinnig strukturiertes Gitarrenspiel überzeugte. Die Aufgabe, mit dem Support-Slot Stimmung für die Show Faye Websters zu machen, erfüllte Benét jedenfalls mit links – auch wenn er die Hälfte seiner Zeit mit einer Standup-Routine vergeudete, wie man sie von Shows aus den USA – also vor heimischem Publikum - her kennt. Faye Webster ist ja nicht als Künstlerin bekannt, die ihre Kunst – über die Präsentation derselben hinaus - zu erklären sucht. Deswegen erübrigte sich eigentlich auch die mögliche Frage, was denn bitteschön der riesige Plastik-Buddha mit blauen Strahleaugen zu bedeuten haben mochte, der kurz vor dem Erscheinen von Faye und ihrer Band im Bühnenhintergrund aufgeblasen wurde. Mit der musikalischen Darbietung hatte das natürlich nichts zu tun. Da Faye Webster nach wie vor in der Hip-Hop-Szene von Atlanta verwurzelt ist, war ihr Lounge-Soul-R'n'B-Stil nie puristisch angelegt und insbesondere auf ihrer aktuellen LP hatte sie sich mit Tracks wie dem mit Schulfreund Lil' Yachty eingespielten „Lego Ring“ oder „He Loves Me Yeah!“ auch erstmals in Richtung Power- und New Wave-Pop bewegt. Zwar bildeten diese Songs dann nicht gerade das Rückgrat der Show – sorgten dann aber für Abwechslung im ansonsten ganz auf balladeske Ennui angelegten Setting. A propos Ennui: Tatsächlich vermittelt Faye Webster auch auf der Bühne das widersprüchliche Gefühl, dass sie ihre Musik einerseits aus einer gewissen Position der Langeweile präsentiert – sich andererseits aber so in ihr Spiel hineinsteigert, dass man sich als Zuhörer bereits als Störenfried betrachtet. Besonders deutlich wurde das dann, wenn sich Webster – vom Publikum abgewandt – ihren Musikern zuwandte oder aber sich bei dem Track „Jonny“ von ihrem Album „Atlanta Millionaires Club“ hinter dem Keyboard stehend in einer intimen Konversation mit dem Titelcharakter verliert. Unterstützt von einer kompetenten Band, in der besonders Keyboarderin/Saxophonistin Annie Leeth und Pedal-Steel-Player Matt „Pistol“ Stoessel (der auch für die elektrischen Gitarrensoli zuständig war) mit ihren Beiträgen für den typischen Crossover-Sound verantwortlich zeichnete konnte sich Faye Webster ansonsten ganz darauf konzentrieren, sich in ihren Gesangsbeiträgen und ihrer Gitarrenarbeit zu verlieren. Einige wenige charmante Ansagen zwischen den Tracks ließen dann vermuten, dass Faye Webster im richtigen Leben dann doch nicht ganz so introvertiert sein mag, wie das ihre Bühnenpersona vermuten lässt. Leider konnten die Fans das nicht verifizieren, denn anders als Benét ließ sich Faye Webster nicht dazu herab, sich ans Merch-Desk zu gesellen und Autogramme zu geben.
Weitere Infos: https://www.fayewebster.com/